Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
seinen Urheber aufzuspüren, und schaute aus den Fenstern. Wolkenfetzen rasten vorbei, und ein tintiger Himmel schimmerte zwischen ihnen hindurch, von Sternen besetzt.
»Bist du so weit, Jonathan?«
Der Karnese war leichenblass, aber er schien sich wohl zu fühlen. Seine Empfindungen waren durch die Drogen in seinem Kreislauf gedämpft, wusste Barbara. Jonathan nickte ihr zu. »Sobald die Bezugssterne einwandfrei identifiziert sind«, sagte er, »richtet Nummer sieben die Antennen aus und beginnt mit dem Hilferuf. Ich habe die Energie der Hilfsaggregate dafür freigegeben, das Hauptnetz wird nicht belastet.«
»Gut.« Barbaras Auftrag lastete die Kapazität des Rechners aus, forderte ständig mehr Arbeitsspeicher an und bekam ihn nicht; Jonathans Navigation fraß eine Menge der begrenzten Ressourcen. Barbara schaute aus dem Fenster. Der Himmel war schwarzblau. Die Emittoren jammerten derart schrill, dass ihr Echo in Barbaras Ohren nachklingelte. Die Steiggeschwindigkeit verringerte sich. Weiter hinaus ins All ging es nicht mehr.
Endlich hatte Nummer sieben die richtigen Sterne gefunden, schwenkte die Richtantennen herum und jagte den Hilferuf in den Kosmos hinaus. Im selben Augenblick verschwanden Jonathans Programme aus dem Arbeitsspeicher, sie hatten ihren Job erledigt. Mit der zusätzlichen Rechenleistung entwickelte Barbaras Suchprogramm eine ganz neue Geschwindigkeit. Da blieb sogar etwas übrig, um den Himmel nach einem Raumschiff abzusuchen. Natürlich war da nichts. Jonathan und Barbara taten so, als hätten sie genau das und nichts anderes erwartet. Und als der Hilferuf das siebte Mal von den Richtantennen hinausgejagt wurde, bemerkte Barbara etwas. Etwas Bestürzendes.
Derselbe Code, der die VILM VAN DER OOSTERBRIJK in einen Schrotthaufen verwandelt hatte, stieß Nummer sieben den elektronischen Dolch ins Herz. Glücklicherweise war diese tödliche Waffe für einen Gleiter etwas überdimensioniert, und Nummer sieben flog nicht sofort auseinander wie der Weltenkreuzer. Die Emittoren in den Flügeln verstummten.
»Was ist denn nun los«, sagte Jonathan, als die Lichter erloschen. Der Notruf wurde weiter ausgesandt, seine Energie stammte aus den Hilfsaggregaten. Alles andere stellte seine Dienste ein. Nummer sieben ergab sich der Schwerkraft des verregneten Planeten und begann zu fallen. Barbara und Jonathan wurden schwerelos; nur die Gurte hielten sie in ihren Sitzen.
»Meine Anzeigen sind tot«, sagte Jonathan. »Kannst du daran irgendetwas ändern?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Barbara. »Ich arbeite daran.«
Wahrscheinlich, dachte Barbara, ist dieser Hilferuf alles, was von uns übrig bleibt, ein paar Pakete elektromagnetischer Strahlung, die unsere Namen durchs All tragen. Ein Hilferuf, unterschrieben von Barbara Brewka, Claudius Dorand und Jonathan Vliesenbrink. Dann dachte sie an die regenfeuchte nasse Welt dort unten, und an Tina, der sie versprochen hatte wiederzukommen. Und sie dachte daran, wie Tina in scherzhaftem Ton gesagt hatte, sie solle die beiden großen Jungs heil zurückbringen. Barbara Brewka hat keine Lust, dachte sie, in diesen Matsch da unten einzuschlagen wie eine Bombe. Sie beugte sich hinunter. Da war jener Schalter, den sie einem irgendwann während der Ausbildung zeigten und der niemals betätigt werden durfte. Niemals diese Abdeckung öffnen! Und schon gar nicht, wenn man in der Luft ist! Nie, nie darf man diesen Griff herumdrehen, sodass er in waagerechter Position einrastet! Niemals darf man die Warnung überhören, die der kleine Chip plärrt! Und schon gar nicht darf man den Griff dann fünf Sekunden lang herunterdrücken, bis die kleine Lampe aufglimmt! Das tut man nicht!
Barbara tat es.
Die Rechnersysteme des Gleiters wurden für Augenblicke total abgeschaltet. Alle Arbeitsspeicher wurden geleert, alle Programme abrupt beendet. Auch der Hilferuf brach mitten im Satz ab. Selbst die letzten Notlichter gingen aus.
»Was hast du getan?«, fragte Jonathan.
»Ich habe das Ding zurückgesetzt«, erwiderte Barbara, »wir hatten da ein Signal im System, das uns umgebracht hätte.« Jonathan sah sie nur an, leichenblass und mit aufgerissenen Augen. »Dasselbe Signal«, erklärte Barbara, »das die VILM VAN DER OOSTERBRIJK erwischt hat. Es war in diesen Datenpaketen enthalten, die wir aus dem Landeschiff kopiert haben. Der Absturz war kein Unfall. Und das eben auch nicht.«
Jonathan nickte, als habe er sich genau das schon immer gedacht. Dann fragte er, wer für das
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