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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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versperrend und das Seil glatt abscherend.
    Ein paar Minuten klammerten sie sich schweigend aneinander, während die Röhre, in der sie steckten, sich kreischend neigte und schließlich zur Ruhe kam. Sie wussten nicht, ob der abgeknickte Teil des Treppenschachtes irgendwo auflag oder weiter hinauf in die Luft ragte. Sie wussten nicht, ob das Ding stärker abknicken und sie abstürzen lassen würde, wenn sie weitergingen. Der Sommersprossige zitterte am ganzen Leib und betrachtete wie gelähmt die Knickspalte, die ihn beinah gefressen hätte. Dann stiegen sie, weil ihnen nichts anderes übrig blieb, die jetzt sanft geneigte Röhre hinauf – sehr, sehr vorsichtig – und kamen auf diesem einsamen Podest heraus, das den Gipfel eines großen Segmentes bildete und windschief über der Kante hing. Eliza bot sich ein weiter Blick über die Trümmerlandschaft der Absturzstelle: Im Norden türmten sich komplette, zerdrückte und zerrissene Schiffssegmente als bizarre Formen übereinander, die aussahen, als genüge ein leichter Anstoß, um furchtbare Lawinen auszulösen. Östlich sahen die vier den erbarmungslos zerknüllten Rumpf eines Landungsschiffes. Die von diesem Wrack ausgehende Radioaktivität hatte ihnen den besten Fußweg ins Innere des Gebirges verwehrt. Offensichtlich waren die Hilfsreaktoren des Schiffes zerstört worden, obwohl das unmöglich sein sollte. Im Westen zog sich eine Wüstenei ausgebrannter Technik hin. Dort nach Brauchbarem zu suchen, war wenig sinnvoll. Trotz des auf dieser Welt herrschenden Dauerregens hatten in diesem Bereich stundenlang Brände gewütet. Das Ganze sah aus wie eine Spielzeugstadt, unachtsam in eine Kiste gepackt, sodann ausgeschüttet und wild mit Hämmern bearbeitet. Eine Riesenkiste mit Riesenspielzeug. Und es war zerbrochen. Die Autobahnen verdreht und zersplittert, die Türme geborsten, die Bäume verkohlt, die Häuser selbst in Platten, Kuben, Pyramiden zerbrochen. Und wir, dachte Eliza, sind die Ameisen, die im zerbrochenen Spielzeug, in einer zerbrochenen Stadt herumkriechen.
    Sie ließen sich auf das Dach des Segmentes hinunter und rasteten. Über den Rückweg mochten sie sich keine Gedanken machen, noch nicht. Der Weg, auf dem sie gekommen waren, war ihnen sowieso versperrt. Eliza bekam per Funk keine Verbindung mit dem Lager. Das war völlig hoffnungslos inmitten dieser Metallmassen. Also schossen sie drei Leuchtraketen in den Himmel: Orange für »Rückweg abgeschnitten, alles in Ordnung«; Gelb für »Gruppen getrennt« und Grün für »wir haben was gefunden«. Die dunkleren Farben waren für schlechtere Nachrichten vorgesehen.
    »Ist das nicht ein bisschen voreilig?«, fragte Marek. »Noch haben wir gar nichts gefunden.«
    »Dann sieh mal«, sagte Eliza und zeigte den anderen das Schott, das unauffällig ins Segment eingelassen war. Die Orientierung war schwierig, weil die Trennung von den benachbarten Segmenten auf recht rabiate Weise durch eine Reihe von Sprengungen erfolgt war; überall gab es zerfetzte Wände und die oft scharfkantigen Spuren einst hier montierter Aggregate. Manchmal fühlten sich die vier wie von gezückten Messern bedroht. Eliza schaute aus nach roten Linien; noch hatte sie keine entdeckt. Als sie das Schott öffnete, hörte sie etwas wie Schreie und ein giftiges Zischen, heftig und kurz. Aber nirgendwo war etwas zu sehen, auch von der zweiten Gruppe nicht.
    »Die haben sicher einen anderen Weg genommen«, sagte Joern. »Das da könnte ein Tier gewesen sein oder der Wind in den morschen Konstruktionen.«
    Sie hatten selbst gehört, wie der Schacht beim Abknicken geschrien hatte, als sie hindurchgeklettert waren, deswegen kümmerten sie sich nicht um die Geräusche und drangen in das Segment ein: eine Enttäuschung für Eliza. Alles dunkel und tot. Keine Energie. Eine rote Linie, ja; aber keine Möglichkeit zu kontaktieren. Zu gefährlich, wenn die Linie ohne Strom war. In einem gewissen Sinne lebte der eingepflanzte Mikrocomputer in ihrem Arm, und Eliza wollte nicht wissen, was geschah, wenn sie diese Art Leben mit einer Art Tod koppelte. Und sie wollte nicht erfahren, was mit ihrem Hirn passierte, wenn sie etwas so Verrücktes versuchte.
    Mit Stromausfällen hatte man gerechnet, und es war vorgesorgt. Der Sommersprossige schleppte auf seinem Rücken einen ergiebigen Speicher mit, einen Kondensatriden. Für die Belebung von ein paar Räumen mochte der Vorrat reichen. Es reichte auch für das gesamte Segment, allerdings in diesem Fall nur für

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