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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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die Paläste von Sanctuarium und sogar eine der unheimlichen Städte von Utragenorius. Alles war als Wandschmuck geeignet, um nicht immerzu auf diese bonbonfarbenen Flächen blicken zu müssen.
    »Eine Dusche!« Marek probierte, kaum hatte er sie gefunden, die Bereitschaftstaste – das grüne Licht glomm. Der Rechner, der für diesen Abschnitt verantwortlich war, mochte dumm sein, aber er war nicht faul. Eine Minute später stand Marek nackt unter der Brause und aalte sich in den heißen Strahlen, Eliza zurufend, ob sie nicht endlich mal wieder, es wäre herrlich. Eliza nickte und betrachtete Marek, der nicht daran gedacht hatte, den Vorhang zuzuziehen. Sie konnte die Augen nicht von diesem Körper wenden, und sie sah sich den Jungen – wie sie ihn in Gedanken beharrlich nannte – genau an. Etwas genauer, als gut für sie sein konnte. Marek war kleiner als sie, und bei Weitem nicht so ein Brocken wie Grégoire Lafayette. Er war nicht durchtrainiert wie ein Zehnkämpfer mit breitem Brustkasten und dicker Wolle darauf, aber er war nicht schlecht beisammen. Eliza wurde rot, als sie merkte, dass sie Mareks Geschlechtsteil anstarrte, stand schnell auf und warf den Overall ab. Wenige Augenblicke später stand sie neben Marek und spürte fast schmerzhaft, dass sie Verlangen nach dem Jungen hatte. Marek bat sie, ihm den Rücken einzuseifen. Sie tat es, wie in Trance. Das war zwischen Grégoire und ihr eine Art von Liebesritual gewesen – zusammen duschen und dann ab ins Bett. Oder es gleich unter der Dusche tun. Doch Marek war nicht Lafayette. Eliza unterdrückte das Verlangen, Mareks Körper an sich zu drücken und ihre Hände nach vorn gleiten zu lassen, und weiter, ihn in die Hand zu nehmen ...
    Aber Marek würde es vermutlich völlig daneben finden, wenn sie ihn anfasste, auf diese Weise. Sie dachte daran, wie sie ihm zuerst begegnet war. Sie dachte an Mareks Freund, der vor wenigen Monaten umgekommen war, nicht weit von hier entfernt. Ihr fielen die Toten ein, die im Umkreis einiger hundert Meter liegen mussten, als Mareks freundliche Hände ihr den Rücken einseiften. Fast wurde ihr schlecht, und sie war sehr schnell mit dem Duschen fertig. Aus dem Ventilatorschacht kam nur eiskalte und modrig stinkende Luft, so trockneten sie sich gegenseitig mit Tüchern ab. Eliza war blass, als sie wieder in ihre Overalls gestiegen waren.
    Dann füllten sie die mitgebrachten Rucksäcke. Eliza auf der einen, Marek auf der anderen Seite, grasten sie Zimmer für Zimmer ab, sammelten den Inhalt der Arzneikästen ein und schauten in den Möbeln nach, wo sich manch teures Präparat auflesen ließ. Sie hätten das Geld einsammeln können, das sie in Schubladen entdeckten, aber auf Vilm galt keinerlei Währung. Und es war zu bezweifeln, ob die Ära des Geldes für diesen Planeten je anbrechen würde. Am unbeleuchteten Ende des Ganges fanden sie Notfallcontainer mit hochwirksamen Medikamenten darin: Kreislaufkomplexmittel, Antibiotika, Zytostatika, Hormonpräparate, Hypnosomatika. Sie leerten die Rücksäcke aus und füllten sie mit den wertvolleren Mitteln. Die Allerweltspräparate stapelten Eliza und Marek in einer Badewanne, damit spätere Trupps das Zeug abholen konnten. Sie bereiteten sich ein richtiges Essen zu, wie in Zeiten, da das Schiff noch existierte, und warteten auf Joern und den Sommersprossigen.
    Im Treppenschacht erschien erst ein prallvoller Tornister, ein fahler Joern folgte und ein bleicher Begleiter, auf dessen Gesicht die Sommersprossen wie Blutflecke wirkten.
    Joern starrte angewidert auf die bereitstehende Mahlzeit. »Ich verstehe nicht, wie ihr an Essen auch nur denken ...« Er gab sich einen Ruck. »Da unten, da sind Menschen ... massenhaft Leute, und sie sind alle tot. Sie liegen zu Dutzenden – und sie sind nicht beim Absturz umgekommen ...«
    Der andere ergänzte: »Sie sind alle erstickt. Es muss lange gedauert haben. Tage. Wochen. Die haben da unten im Dunkeln auf das Ende gewartet. Ich habe Fotos gemacht ...« Und er holte die Aufnahmen heraus. Marek und Eliza schreckten zurück.
    »Seht es euch an!«, schrie Joern. »Seht es euch an!«
    Sie sahen sich die Bilder an.
    Düstere Gänge voller toter Menschen, die Körper akkurat aufgereiht, die Füße in der Mitte, sodass ein Pfad freiblieb ... Für wen? Wer hatte die Leichen geordnet? Verzerrte Gesichtszüge, nachgedunkelte Haut. Die Luft war trocken gewesen und keimfrei. Mumienluft. Die meisten Körper kaum verändert, die Gesichter gespenstisch, die

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