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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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der angespannten Energiesituation der Schiffbrüchigen benutzen konnte. Anna betrachtete den seltsamen Anblick, die beiden so gegensätzlichen Männer eng beieinander auf die Anzeige des Rechners starrend.
    »Ich hab mal durchgerechnet«, sagte Francesco, »was im Steuerteil des Solariums vor sich geht, bei dieser Luftfeuchtigkeit. Hätte ich gar nicht machen müssen, sieh mal hier ... und hier.«
    Adrian war kein technischer Analphabet, er verstand sofort, was Francesco da berechnet und anhand eines Modells simuliert hatte. Er schüttelte den Kopf. »Da müssen wir uns eben etwas ausdenken. An diesen Stellen müssen wir das Überschlagen von Funken verhindern.«
    »Wir?«
    »Meinst du, ich bin der Einzige, der sich um Anna Sorgen macht?«
    »Ach. Ach so. Ich mach mir also keine Sorgen, ja? Ich bin ein Vieh, willst du sagen, oder? Ich bin also ... du ...« Francesco, jäh wieder in der alten Bahn von Zorn und Vorwürfen gelandet, schnappte nach Luft. Adrian ging in den Regen, ohne ein Wort zu sagen und ohne die Kapuze überzustülpen. Er schützte allerdings sorgsam die kostbaren Leuchtstäbe vor der Feuchtigkeit.
    Das war der letzte Wortwechsel zwischen den beiden Männern. Adrian verließ die Calandras und zog am selben Tage in die neue Unterkunft. Ein Kabinentrakt, den es weit aus der Konstruktion des Schiffssegments herausgerissen hatte, war mit Hilfe von Flaschenzügen herumgedreht worden. Zwar gab es kein Licht darin und keine Heizung, es gab allerdings ein Dach überm Kopf und eine verschließbare kleine Höhle, in die man sich zurückziehen konnte, wenn man allein sein wollte. Mechin hatte energisch auf einer solchen Möglichkeit für jeden bestanden. Er hatte so lange geredet, bis er allen hoffnungslos auf die Nerven ging und das Volk nachgab. Er hatte natürlich recht; sie konnten keine Neurosen gebrauchen, sie hatten ohnehin alle Hände voll zu tun. Unter den Kindern traten neuerdings vereinzelt Fälle einer Krankheit auf, die ihm Kopfzerbrechen bereitete.
    Ob er mit Adrian gesprochen hatte, wusste Anna nicht; sie konnte es sich denken. Mechin hatte ihr gesagt, an welchem Tag Adrian das Solarium in Gang setzen würde, besser gesagt, diesen Bruchteil eines Solariums. Es war ja nur eine einzelne Seitenwand mit inzwischen elf Stäben. Francesco hatte ihr seine Berechnungen lang und breit auseinandergesetzt. Es lief darauf hinaus, dass infolge der übermäßig hohen Luftfeuchtigkeit irgendetwas in dem Solarium nicht funktionieren würde. Es würde einen Blitz geben und einen Knall und den Gestank verbrannter Elektronik, weiter nichts, hatte Francesco gesagt und dazu den Kopf geschüttelt.
    »Tu nicht so, als wärest du ein weiser Uhu«, hatte sie gesagt, und er hatte betreten zu Boden geblickt. Sie konnte sich nicht darüber klarwerden, ob ihn die Zurechtweisung beeindruckt hatte oder ob er nur sein Erschrecken über ihre veränderte Stimme hatte verbergen wollen. Die Krankheit hatte inzwischen die Stimmbänder angegriffen. Ihre Worte klangen kratzig und breiig zugleich, wie die primitiven künstlichen Organe mancher Computer, denen anzuhören war, dass ihre Stimmwerkzeuge aus Metall und Elektronik bestanden, eben künstlich. Anna hatte nur noch gelegentlich starke Schmerzen, bei plötzlichen Bewegungen oder wenn sie unachtsam war und versuchte, zu lächeln oder die Stirn zu runzeln. Wahrscheinlich hatte sich ihr Inneres an einen Zustand langsamer Zersetzung gewöhnt. Annas Magen war seit Wochen wie ein Stein hart und kalt, und in ihren Lungen rasselte es leise. Ihre Haut fühlte sich an, als sei sie ein nachträglich auf den Körper gepapptes Organ, eine dick, hässlich und unhandlich geratene Folie. Anna verwandelte sich in ein außerirdisches Scheusal. Nennt mich Gollum, dachte sie.
    Der Tag der »großen Vorführung«, wie Francesco es spöttisch genannt hatte, war im Vergleich zu den üblichen vilmschen Verhältnissen hell und freundlich. Die ewigen Wolken schienen weit entfernt und leuchteten in hellem Grau. Der Regen war keiner; eher ein feines Rieseln von Wasserstaub in der Luft. Die Kinder hätten einen eigenen Namen dafür gewusst. Die Kinder hatten unendlich mannigfaltige Namen für den Regen, und manche schworen, gelegentlich die Augen der Regendrachen in einem Gestrolch gespürt zu haben. Adrian und ein paar andere Typen werkelten an dem Apparat herum. Sie änderten die Schaltung, damit das, was Francesco Calandra errechnet hatte, nicht passieren konnte. Francesco knurrte vor sich hin, dass das

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