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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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stehen, als wäre es versehentlich eingeschlafen.
    Natürlich dauerte es noch einige Tage, ehe Harenbergh umziehen konnte, und die Atmosphäre blieb gespannt. Auch als er einen kleinen Kondensatriden anschleppte, den er aus dem Gebirge mitgebracht hatte. Die Anzeigen an dem Ding zeigten volle Ladung an. Man konnte das Gerät nur ein einziges Mal benutzen, weil zum Aufladen die nötige Technik fehlte; es war auch so klar, was Adrian damit vorhatte. Triumphierend und wortlos schleppte er eine vergleichsweise riesenhafte Kiste herbei, die mit Sicherheitsverschlüssen und einer Menge von Warnhinweisen versehen war. Gewarnt wurde vor allem davor, das Ding heftigen Stößen und/oder Temperaturschwankungen auszusetzen. Dass diese Kiste genau wie alles andere vom Himmel gefallen war, störte den stolzen Finder nicht.
    Francesco lachte lauthals, als Adrian nach stundenlanger mühseliger Arbeit endlich die Kiste aufbekommen hatte. Es war wirklich eine Seitenwand für ein Dreihundertsechzig-Grad-Solarium. Ein perfektes, in weichen Linien designtes Stück Weltenkreuzer-Technologie, aus zartgrünem Material, das mit seiner matten Oberfläche geradezu kuschelig aussah. Das Ding weckte in allen, die es sahen, gewisse Erinnerungen an eine Welt, die es nicht mehr gab, eine Welt voller geschmackloser Pastellfarben und gepolsterter Kanten. Das Solarium-Element war nostalgisch. Die Leuchtstäbe, die das irdische Sonnenlicht in Perfektion nachahmen konnten, waren sämtlich geborsten und rieselten als splittriges buntes Pulver aus dem Behälter.
    »Ich hab es doch gesagt«, meinte Francesco und sah Annas verhüllte Gestalt an; die sah wortlos zu oder tat es auch nicht, das konnte keiner sagen. Sie war dazu übergegangen, ihr Gesicht in dichtem Schatten zu belassen. Wenn sie draußen zu tun hatte, zog sie eine Art Schleier herab. Außer Mechin wusste niemand mehr, wie sie aussah. Nicht einmal Francesco, der sich große Mühe gab, sie nicht anzublicken, wenn sie in ihrem Zimmer waren. Dafür schaute er jeden Tag das Bild an, das ungerahmt an der Wand hing. Eine 3-D-Aufnahme von Herrn und Frau Calandra aus glücklichen Tagen auf Penta V, zwei lachende Menschen, mit nichts als Sonnenbrillen und knallgelben Shorts bekleidet, und im Hintergrund Palmen und der mit hunderten Badelustigen bedeckte Strand von Bahia de Janeiro. An den Rändern fraß die Feuchtigkeit Vilms am Material und löste das räumliche Bild in ein irritierendes fraktales Geflimmer auf. Diesem Bild schenkte Francesco seine ganze Aufmerksamkeit. Er wollte nicht sehen müssen, was aus seiner Frau mittlerweile geworden war.
    »Bislang haben wir nicht alle Container mit dieser Nummer geöffnet«, erwiderte Adrian. »Wir könnten, wenn wir Glück haben, genügend Leuchtstäbe finden, um wenigstens eine Wand zu bestücken.«
    »Und selbst wenn das klappt, habt ihr immer noch kein Solarium, das kann ich euch ausrechnen!«
    Adrian zuckte die Schultern. Er wies auf Anna. »Es ist doch für sie – verstehst du das nicht?«
    »Es ist unmöglich – verstehst du das nicht?«, entgegnete ihm Francesco, Adrians Stimme und Sprechweise nachahmend.
    Ein Laut kam von Anna, der beide verstummen ließ. Es war wie ein leises Aufweinen, es klang, als käme es nicht von einem Menschen. So wie Katzen schreien können wie ein jämmerlich schreiendes Baby, so hatte da etwas Fremdes geklungen, das sich als Mensch verkleiden wollte. Der Gedanke kam beiden Männern gleichzeitig, denn sie starrten einander entsetzt an, endlich einmal und überraschend einer Meinung. Sie taten das immer noch, als Anna längst ins Zimmer geflohen war. Schämte sie sich für dieses unmenschliche Geräusch? Wollte sie den beiden Männern den Anblick ersparen, wie sie auf dem Boden lag und sich in Krämpfen wand? Sollte niemand die animalischen Töne hören, die sie von sich gab, wenn die feindlichen Geister in ihren inneren Organen Teuflisches trieben? Vielleicht wollte sie sich vor der zusätzlichen Pein schützen, jemand anderen von ihren ununterbrochen anhaltenden Schmerzen wissen zu lassen.
    Zwei Tage danach – Mechin war bei Anna gewesen und verstört wieder aus dem Zimmer herausgekommen – präsentierte Adrian stolz sechs intakte Leuchtstäbe. Francesco betrachtete sie ungläubig. Einen Moment lang schien die seltsame Rivalität zwischen den beiden Männern vergessen. Dann lachte Francesco. »Komm mal her, Harenbergh ...« Beide beugten sich über Francescos kleinen Rechner. Es war der einzige Rechnertyp, den er bei

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