Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
die kleinen Viecher und Schimmelpilze von der Haut und macht mich wieder hübsch und gesund.« Sie verstummte; in ihrer Stimme war Panik gewesen. Sie hatte für den Bruchteil einer Sekunde die Vision gehabt, wie sie sich in den Strahlen einer künstlichen Sonne aalte und in fühlbar die Haut verbrennendem Licht badete, wie Pilze und Flechten in der Glut verdampften und Pusteln spurlos verschrumpften. Die Wirklichkeit war anders, war brutal. Mir wird das Fleisch in Fetzen vom Körper hängen, dachte sie, und ich werde eingehen wie ein Fisch auf dem Trockenen; nein, umgekehrt, es ist die Nässe, die mich umbringt – als ob das ein wesentlicher Unterschied wäre. Für alles Geld, das wir im Gebirge finden, können wir kein Solarium kaufen. Und wir werden auch keines finden, da hinten in den Trümmern. Eher entdecken wir Tonnen über Tonnen gerösteter Kaffeebohnen, von Serafim natürlich.
Francesco und Adrian sahen einander stumm an. Ein paar Augenblicke lang hörten sie nur das Prasseln des Regens. In der Rinne, die das Wasser von der Schräge des »Dachs« ableitete, gurgelte es leise. »Man müsste ein Solarium suchen«, meinte Adrian. Er war oft mit den Suchtrupps im Gebirge. Allerdings gab es Wichtigeres als Solarien. Das sagte ihm Francesco.
»Und«, setzte er hinzu, »ich glaube nicht, dass etwas so Empfindliches den Absturz überstanden haben kann.«
»Wir haben es doch auch überstanden«, wagte Adrian zu sagen, und genau dies war der Punkt, an dem etwas zerbrach, was schon lange unter Spannung gestanden hatte. Francesco sprang auf und stieß dabei irgendeine Platine herunter, die scheppernd auf dem Boden aufschlug und in Stücke sprang.
»Rede doch nicht so einen haarsträubenden Unfug, Harenbergh!«, schrie er. »Wozu sagst du so etwas, machst ihr Hoffnungen, wo keine sind, leere Worte, Gewäsch, wie von dir nicht anders zu erwarten – nistest dich hier ein, tust nichts Sinnvolles, lungerst herum, und dann ...« Ohne weiterzusprechen, beugte er sich nieder und fing an, die Teile der zerbrochenen Platine aufzusammeln.
Adrian sah Anna Calandra an. Es war ihr unangenehm, wenn jemand sie anschaute. Soll ich darauf antworten, schien er zu fragen, und sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Adrian hob die Schultern und bastelte weiter, als wäre nichts vorgefallen. Anna wusste, was er mit seinen langen, geschickten Fingern tat, und manchmal fand sie es sinnvoller als Francescos Arsenal von elektronischen Steuergeräten, die nichts steuerten als die Fahrzeuge in Francescos Phantasie. Adrian bastelte buntes mechanisches und gelegentlich elektronisches Spielzeug für die Kinder.
Kinder, dachte Anna, ich gehe nie hin zu ihnen. Sie würden sich zu Tode erschrecken. Die Einarmige Eliza mochte eine geduldige Lehrerin sein, doch wird sie den Kleinen kaum einreden können, dass es nichts Schlimmes sei, sich bei lebendigem Leib langsam aufzulösen. Diese Rangen sind klug, denen kann ich nicht viel vormachen. Und selbst werde ich wohl keine haben können. In meinem Zustand ... und woher auch. Der Herr Calandra achtet auf Abstand, es könnte ja ansteckend sein. Erstaunt stellte sie fest, dass sie sich einen Gedanken lang voller Hass gewünscht hatte, Francesco möge sich dieselbe Krankheit zuziehen. Nein, sie war bisher die Erste und Einzige. Aber die Kinder.
Als Anna, ohne dass jemand etwas gesagt hätte, zu weinen anfing, stand Adrian auf, streckte seine hochaufgeschossene Gestalt, dass seine Gelenke knackten, schlug seine Arbeit in ein nässetriefendes Tuch ein, verstaute das Bündel und ging hinaus in den kräftig herabschlagenden Regen. Er trug nie eine Kopfbedeckung, und so bot er ein Bild des Jammers mit seinen fast weißen Haaren, die der Regen eng an den länglichen Schädel klebte. Niemand lachte über seine verrückte Idee. Harenbergh hatte eine außerordentliche Ausdauer, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Wie er an den großen Container gekommen war, erfuhren Anna und Francesco nie. Er musste das Ding bei einer Expedition ins Gebirge gefunden, vermutlich sogar danach gesucht haben. Ein fast mannshohes Ding, schmal und nicht sehr schwer. Was drin war, konnten sie sich zwar denken, aber Francesco fragte nicht. Anna fragte nicht, sie wagte es nicht. Francesco gab Adrian die Schuld am Zerbrechen der Platine, die angeblich besonders wertvoll gewesen war, und sprach nicht mehr mit ihm. Anna wusste, dass es lächerlich war. Kindisch. Verzogene Gören, die einander wegen eines kaputten Spielzeugs
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