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Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)

Titel: Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Fremden gefunden hatte.
    Es dauerte einige Minuten, ehe sie die Welt wieder wahrnahm. Eine Stimme, die sie noch nicht lange kannte, ließ sie die Augen wieder öffnen. Sie fürchtete, graue Wolken zu sehen.
    Er wies auf die andere Seite der Lagune. Dort ging eine vermummte Gestalt, die sie erkannte. »Du weißt ja jetzt Bescheid«, sagte er und half ihr auf, sie gingen auf die drei Palmen zu. Juanita schüttelte den Kopf.
    »Ich weiß gar nichts.«
    »Du musst schon allein darauf kommen. Was einmal geht, gelingt wieder.« Seine Stimme klang sehr überzeugt. »Zieh dich wieder an. Ich muss fort«, sagte er, nachdem er sich nach Mechin umgesehen hatte, der näher gekommen war und unsichtbaren Hindernissen in großen Bögen auswich, als wäre er in einem komplizierten Irrgarten.
    Juanita wusste keine Erwiderung und zog folgsam, weil es ihr gesagt worden war, wenigstens den Overall an, die anderen Sachen ließ sie liegen; sie schnürte die Stiefel zu und richtete sich auf. Statt der rissigen, fast verdorrten Palmenstämme sah sie feuchtigkeitsgesättigtes Gestrolch. Unter ihren Stiefelsohlen war vollgesogener Boden, schwer und fettig. Zwischen den feisten Pflanzen sah sie die davonziehenden Eingesichter. Juanita stand still auf demselben Fleck, als Mechin ankam. »Na, wie geht es uns denn heute«, sagte er; das war ein stehender Witz zwischen ihnen, nachdem sie ihn einmal recht aggressiv darauf hingewiesen hatte, dass sie schlecht wissen könne, wie es ihrem Arzt ginge, und dass es ihr, verdammt noch einmal, herzlich egal sei.
    »Gut«, sagte sie und fuhr mit beiden Händen durch das kurzgeschnittene Haar. Es war trocken. Der feine Regen begann eben erst, es mit feinen Perlen zu besetzen und zu durchfeuchten.
    »Ich glaube auch«, sagte Mechin und betrachtete sie prüfend. Seine Patientin sah wirklich gut aus heute. Der niedergeschlagene und gehetzte Ausdruck war verschwunden, den ihr Gesicht sonst hatte. Die düsteren Schatten unter ihren Augen waren nicht mehr so erschreckend groß. Schlug diese lästige Pferdekur endlich an? Dieser Weg war eine Zumutung für ihn, jeden Dienstag eigens bis zum Dritten Dorf, nur um auf dieser Anhöhe ein hoffnungsloses Treffen mit Juanita Cass zu haben. Dieses umständliche Verfahren hatte sich als der einzige Weg erwiesen, die junge Frau aus ihrer Unterkunft herauszubekommen. Mit Huberts und des ganzen Dorfes Unterstützung zwang er Juanita auf diese Weise, jede Woche einige Zeit außerhalb ihrer vier Wände zuzubringen, zwang er sie, in die von ihr krankhaft verabscheute Welt hinauszugehen. Anfangs hatte sie sich die Seele aus dem Leib gekotzt, kaum dass sie einen Schritt vor die Tür getan hatte, und seitdem arbeitete er daran, diesen Widerwillen Stück für Stück abzubauen. Bis auf drei Stunden hatte Mechin diese Aufenthalte Juanitas bisher ausdehnen können.
    »Hast du Höhensonne genommen?«, fragte Mechin erstaunt, als er ihr Gesicht näher betrachtete. Er wusste, dass es solche Geräte im Dritten Dorf nicht gab, es sie auf Vilm nicht geben konnte. Auf der VILM VAN DER OOSTERBRIJK hatte es Solarien gegeben, große Apparate, die mehr Energie fraßen, als die Menschen auf Vilm erübrigen konnten, und die in der feuchten Luft überdies kaum funktionieren würden. Es gab Leute, die das ausprobiert hatten. Umso mehr wunderte ihn die leichte Hautrötung, die er da im Gesicht der jungen Frau entdeckte. Juanita dachte nicht daran zu antworten. Mechin sah sich um und bemerkte die herumliegenden Kleidungsstücke. Seine Augenbrauen wanderten noch ein Stück höher.
    Juanita kommentierte seinen Blick leichthin: »Mir war warm, weißt du, der Overall reicht doch eigentlich.«
    Sie scheint tatsächlich über den Berg, dachte der Arzt erfreut. Keine abnormen Körperreaktionen auf die Umgebung. Gesunde Gesichtsfarbe. Sprechweise normal. Keine Spur von dem mühsam unterdrückten Ekel, den sie vorige Woche noch hatte. Die Verspannung ist weg. Und sie steht nicht da, als wolle sie jeden Moment wegrennen. So schnell geht das manchmal. Juanita achtete nicht auf Mechin. Sie hatte etwas entdeckt, das ihren Blick fesselte. Wenige Schritte hinter dem Rücken des Arztes war etwas Helles. Wenn sie genau hinschaute, konnte sie es erkennen. Ein Fleck Sand. Nicht einfach nur Sand, obwohl der selten genug war auf Vilm; dieser hier war verstreut, als habe jemand aus einer hastig vorüberfahrenden Karre etwas verschüttet. Und er war trocken, ganz trocken und hell. Der Regen Vilms durchnässte den Sand langsam

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