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VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition)

Titel: VILM 02. Die Eingeborenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Lukas daransetzen würden, könnte er sich vielleicht einarbeiten, aber der hat anderes zu tun.« Adrian grinste Eliza verschwörerisch an; sie grinste zurück.
    »Und wenn man es geschickt anstellt«, sagte sie dann, »kann man mit Hilfe dieser Wundermaschinen die in solchen Elementen enthaltenen Informationen lesen. Und?«
    Adrian wackelte mit seinem völlig kahlen Schädel; bislang seien fast immer wertlose Informationen gefunden worden, der massiven Eingriffe in die Schiffssysteme der Vilm van der Oosterbrijk wegen. Wertlos im Sinne von wenig aufschlussreich: Statusdaten von durchdrehenden Klimaanlagen und dergleichen. Nicht umsonst seien über neunundneunzig Prozent der in einem solchen System zirkulierenden Information nie dazu bestimmt, einem Menschen zu Gesicht zu kommen. Dies hier sei jedoch nicht nur aus einem für die Besatzung bestimmten Bereich, es sei von der Datenschmelze verschont geblieben, als sei es etwas Besonderes. Alle Anzeichen deuteten darauf hin.
    »Sehr interessant«, meinte Eliza, ehe Adrian Harenbergh ihr diese Anzeichen bedächtig und tödlich langatmig erklären konnte, »aber musstet ihr mich deswegen wecken?«
    Adrian schaute sie an wie einen Käfer, der sich unter dem Mikroskop über die Zuschauer beschwert. »Es sind Nachrichten«, sagte er in einem Tonfall, als hätte er damit alles erklärt, was das kleine Ding bedeutsam machen könnte. Jonathan hatte sich mit seinem zweiten Körper zu ihnen gesellt und starrte Eliza an. Er tat so, als habe er die alte Frau zum ersten Mal in seinem Leben gesehen.
    »Wir haben uns in das Gerät eingeloggt«, sagte er, »und wir haben keine der Nachrichten abgerufen – nur Adressen gelesen und so. Eine Nachricht für dich ist da drin. Eine alte Nachricht.«
    »Eine sehr alte Nachricht sogar«, nickte Adrian. Er war selbst bereits hundertvier. Alles, was alt war, fand seine besondere Beachtung.
    »Das ist etwas anderes«, sagte Eliza. Wenige Minuten später saß sie vor ihrem Rechner und überredete ihn, mit der alten Speicherbank Kontakt aufzunehmen. Das war nicht einfach, schließlich war das Ding letzten Endes ein Trümmerstück, und sein Inhalt war von einem überschlauen Rechner der Bruderschaft restauriert worden. Dann war der Inhalt auf ihrem Monitor, eine Menge unnützes Zeug; Nachrichten waren darunter, die nicht zugestellt waren, unerledigt. Ungewöhnlich. Die Daten stammten offensichtlich aus dem Teil des Netzes, das der Kommunikation der Zentralier untereinander diente. Solche Nachrichten wurden immer zugestellt. Eine der Nachrichten war an sie selbst adressiert, an Eliza Simms, und sie öffnete die Datei. Dann war sie minutenlang still.
    Eliza starrte auf die Signatur. Das war eine Nachricht von Lafayette. Flaschenpost aus der Vergangenheit. Sie prüfte das Datum. Sie prüfte es noch einmal. Hinter ihren Augen entstand ein schmerzhafter Druck. Datum und Uhrzeit: Es stimmte. Grégoire hatte diese Nachricht abgesetzt, während die Vilm van der Oosterbrijk abstürzte. Letzte Worte. Gesprochen in einem sterbenden Weltenkreuzer. In Elizas Kopf spulte sich ein Film ab, ein alter, den sie nur zu gut kannte: She Tsi und Lafayette bekämpfen einander mit Lichtblitzen, giftiggrünes Feuer reißt schreienden Leuten das Fleisch von den Knochen, Flugmaschinen verbrennen in Blitzen, eine Plastiktüte mit sechseinhalb Pfund feinen Staubes in Lafayettes Händen. Ein unsichtbares Gespenst, das verblichene pastellfarbene Flächen mit seinem schrecklichen Schatten verdunkelt. Und dazwischen und davor und danach immer wieder: der kopflos umsinkende Körper, aus dessen Faust ein greller Strahl leuchtet. Die ebene Fläche zwischen den Schultern, aus deren Mitte eine unregelmäßige rote Fontäne entspringt. Das hatte Eliza gesehen, und tausend Träume hatten ihr diese Bilder immer wieder vorgeführt. Sie waren ihr eingebrannt, und sie hatte vor langer Zeit gedacht, das alte Ungeheuer exorziert zu haben. Es hatte geschlafen, versteckt in einem unbeleuchteten Winkel und dazu bereit, aufzuspringen und sie zu überfallen.
    Letzte Worte. Eliza kopierte die nicht zugestellten Nachrichten sicherheitshalber in den Speicher ihres Rechners. Dann starrte sie auf den Bildschirm, auf das kleine Symbol, hinter dem sich eine Nachricht von jemandem verbarg, der lange tot war. Eliza schüttelte sich und rechnete aus, seit wie viel Jahren dieser Mann nicht mehr am Leben war. Seit dem Desaster des Weltenkreuzers: siebenundvierzig Jahre, ein ganzes Leben. Sie war eine alte Frau.

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