Violet - Verletzt & Versprochen & Erinnert (German Edition)
schaffe es, meinen Fingern zu befehlen, das Glas fest zu halten, verändere noch einmal den Zoom.
Näher, näher ran.
Ich sehe sein Gesicht, ganz nah vor mir.
Er ist es.
Ich weiß nicht wer er ist, aber ich erkenne ihn an seinen Augen. Ich erinnere mich an seine faszinierenden Augen.
„Ich muss dort rein. Will wissen was sie machen“, stoße ich gepresst über meine zitternden Lippen.
„Nichts anderes hatte ich vor“, sagt Hope.
Also brechen wir auf, zu den Gebäuden, Bestien und Vollstreckern. Als ziehe uns alle drei eine unsichtbare, magische Kraft an. Wir benötigen nicht lange, dann sind wir vor dem Areal angelangt.
Dort wo die Zäune zerstört sind, auf der Südseite schlüpfen wir hinein. Schleichen auf die Anlage, auf der Menschen Bestien gefangen halten. Wir bewegen uns in den Schatten, und dort wo uns die Schatten kein Versteck bieten, verbergen uns Hopes Kräfte vor den Blicken der Vollstrecker.
Ich denke, sie sind viel zu sehr beschäftigt, um uns zu sehen. Auch dann würden sie uns nicht bemerken, wenn wir nicht nahezu unsichtbar wären.
Über eine Leiter kommen wir auf das flache Dach des Gebäudes. Hope scheint sich hier gut auszukennen. Wir folgen ihr, schleichend, geduckt, bis zu einem Lüftungsschacht.
Das Gitter vor der Öffnung ist bereits aus seiner Verankerung gerissen. Ich kann mir denken wer es war, als Hope es zur Seite hebt und in den Schacht hinein klettert. Das Rohr führt schräg nach unten und ich halte Adam an seinem Hosenbund fest, damit er mir nicht davon rutscht. Ich bin aufgeregt, aber es ist mir unergründlich, weshalb ich keine Angst habe.
Ich spüre, dass mich hier etwas erwartet. Meine Vergangenheit. Etwas oder jemand der mir eine Frage beantworten wird. Habe ich eine Familie? Wer bin ich?
Wir kriechen immer weiter. Lassen Abzweigungen links und rechts von uns liegen. Lassen uns in andere Schächte aus kaltem, glatten Metall hineingleiten, die uns weiter, tiefer in die Anlage hinein führen. Der Lüftungsschacht öffnet sich nach einer gefühlten Ewigkeit in einen Hohlraum. Wir befinden uns tief unter der Erde. Wenn ich meinem Raumgefühl noch trauen kann.
„Das ist ein Heizungsraum. Gebäudeinstallation. Es gibt keine Ausgänge und warm ist es auch immer“, sagt Hope. Jetzt erst sehe ich, dass eine schmale Matratze auf dem Boden liegt und ein paar Decken und Klamotten daneben und eine Taschenlampe. Ich erkunde den Raum, der einmal Hopes Zufluchtsort war. Denke ich.
Rohre kommen aus der Wand, treffen sich mit anderen dutzenden ihrer Artgenossen und verschwinden wieder im Boden, der Decke oder der gegenüberliegenden Wand. Hunderte Lämpchen leuchten hier und da auf dem Ofen auf.
„Wann warst du zuletzt hier?“, frage ich Hope.
„Vor ein paar Monaten.“
„Und was hast du hier gemacht?“
„Beobachtet“, sagt Hope.
„Darf ich mich hier hin setzen?“
„Nur zu. Fühle dich wie daheim.“
Daheim? Wie fühlt man sich, wenn man daheim ist?
Ich setze mich auf die Matratze und bemerke etwas Hartes unter meinem Hintern, unter der Decke. Ich sehe nach, um was es sich handelt und ersticke.
Es ist ein Flex-Screen.
Ich starre es an und innere Bilder steigen in mir auf. Das kann unmöglich sein. Es gibt bestimmt hunderte, tausende dieser Geräte auf der Welt, sage ich mir. Und dennoch denke ich nur an eins. An Jesse. Er ist Besitzer eines solchen Geräts, mit dem er immer in Kontakt zu Flavius stand, wenn wir in den Zonen auf Streife waren.
„Jemand war hier. Erst kürzlich“, höre ich eine Stimme, die zu Hope gehört, während ich wie in Trance das Flex-Screen in meiner Hand halte.
„Was war das?“, fragt Adam und kramt den mobilen Computer heraus. Ich habe das Piepsen auch gehört. „Hey er hat sich mit dem drahtlosen Netzwerk verbunden.“ Adam klingt begeistert. Ich schiebe mich weiter nach hinten auf die Matratze, sinke auf die Knie. Sie ist weich. Sie ist warm. Warm?
Hope ist damit beschäftigt sich umzusehen. Immer wieder sagt sie, dass jemand hier war. Hier in ihrem geheimen Schlupfloch. In ihrem Versteck. Sollte ich ihr sagen, dass die Matratze noch warm ist?
Adam hat den Computer auf eine Konsole gestellt und tippt auf der Tastatur herum. Sein Gesicht reflektiert die Spektralfarben, die von dem Monitor ausstrahlen. Seine Augen leuchten, strahlen Neugierde aus, während ich den Flex-Screen betrachte und von links nach rechts über den Bildschirm streiche.
„Wir warten hier bis zur Nachtschicht, dann sehen wir uns um“, sagt
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