Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Violett ist erst der Anfang

Violett ist erst der Anfang

Titel: Violett ist erst der Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
Vom Netzwerk:
du mich an dich gezogen.« Ewa Mund war nur noch wenige Zentimeter entfernt, und Jule roch es schon. Ewa, Meer, hach herrlich. Wie von selbst schlossen sich ihre Augen. »Und dann …« Sanft legten sich ihre Lippen auf Ewas. Da war es wieder. Dieses Ziehen von der kleinen Zehe bis tief in die Kopfhaut. Überrascht schnappte Ewa nach Luft. Jule musste grinsen. »So habe ich auch reagiert. Und du hast …« Diesmal ergriff Jule die Initiative und erschauderte, als sich ihre Zungenspitzen trafen. Erst zögernd, tastend, dann immer neugieriger begannen sie ihr gefühlvolles Spiel. Vergessen war gestern. Nur dieser Kuss hier zählte, und er wurde besser und besser, zärtlicher, inniger. Jules Herz wummerte bis zum Anschlag. Wie in Trance lösten sie sich, und Buchstaben purzelten durch Jules Hirn. We, oh, we, wow.
    »Das«, flüsterte Ewa heiser. »Das … hab ich gestern gemacht?«
    Jule biss sich auf die pochende Unterlippe und nickte zaghaft.
    »Wow!«, entfuhr es Ewa, den Mund bekam sie anscheinend nicht mehr zu. Gleichzeitig nestelte sie an ihrem linken Hemdärmel und krempelte ihn bis zum Ellbogen hoch. »Krass, guck mal.«
    »Gänsehaut?« Jule fummelte an ihrem Pullibündchen und legte den rechten Arm frei. »Hab ich auch. Schau. Richtig krass.«
    Tja. Da saßen sie nun und bestaunten ihre aneinandergelegten Unterarme, als würde ein Rudel Marienkäfer darauf zirkusreif Kunststücke krabbeln. Großes Kino. Oder ein verdammt mieser Sketch, ich will hier raus. Tröstlich allein war die Tatsache, dass sie gemeinsam in diesem Irrsinn steckten. Ewa zog ein Knie an ihre Brust und spielte am Schnürsenkel ihrer Sneakers, Jule zupfte Fusseln vom Sessel. Und nun? Die Frage waberte unausgesprochen im Raum herum.
    Irgendwann meldete sich Ewa zu Wort. »Kacke.«
    Jule sah auf. »Was konkret?«
    »Dieser Kuss verwirrt mich komplett. Dabei hatte ich mir Text zurechtgelegt, den ich dir …«
    »Sag bloß, du wolltest mir einen Korb geben, Ewa?«
    »Du mir nicht?«
    »Äh … ich … tja.« Sind wir schon an der Stelle?
    »Jule, ich mag nun mal Männer.«
    »Ich doch auch.«
    »Findest du das nicht merkwürdig?«
    »Wieso? Seit wann ist das falsch? Dieses Mann-Frau-Ding macht jeder, also fast jeder, und …«
    »Quatsch, das meine ich nicht, Jule.«
    »Sondern?«
    »Wenn wir nichts mit Frauen am Hut haben, warum sitzen wir dann hier und knutschen? Welchen Sinn ergibt das? Liegt es an unseren Rollen? Nur weil Viola und Babett … Moment, komm noch mal kurz her«, sagte Ewa, grub ihre Rechte in Jules Nacken und …
    Hach, diese Lippen. Mit sehnsüchtig geschlossenen Augen klebte Jule an denen, überrumpelt und geflasht bis zum Rand, und knutschte einfach mal zurück. Dieser Kuss war alles, nur nicht kurz. Spannend, atemberaubend, ein gesteigerter Superlativ. Wer konnte das mit Worten fassen? Wie von selbst fuhren Jules Finger über Ewas Schläfen, die warmen Wangen und strichen zärtlich ihren Hals hinab. Unfassbar, und weich, und we-oh-we, schon wieder ein phänomenaler Kuss. Jule rang nach Atem. »Wo-wofür war der?«
    »Zur Sicherheit.« Ewa keuchte ebenfalls. »Ob ich mir das gerade nur eingebildet habe. Aber ich schwöre, es kribbelt. Es kribbelt wie blöde, total irre. Irgendwas ist da.«
    »Und was heißt das jetzt?«
    »Na, was wohl? Wir diskutieren das aus, Jule.«

KAPITEL 5

    Ausdiskutieren, welch grandioses Wort. Wofür stand das noch mal konkret? Offenbar für Aufbruch und Ortswechsel. Kaum hatten sie ihre Jacken an, verließen sie das Studiogelände und liefen schweigend zur Bahnstation. Ewa hatte ihre Hände tief in der Jeans vergraben und kickte imaginäre Kiesel über den Asphalt. Jule? Die drehte permanent Haarsträhnen um ihren Finger und untersuchte sie auf Spliss. Wie sinnig in der Abenddämmerung.
    Auf dem Bahnsteig räusperte sich Jule. »Wohin wollen wir eigentlich?«
    »Spricht etwas gegen McDonalds?«
    »Äh …« Mal kurz überlegen: anstrengendes Multi-Kulti-Publikum, unlauschiges Ambiente, überteuerte Kalorienbomben, Unterstützung von Volksverfettung und Massentierhaltung, und kein Alkohol zur Nervenberuhigung. »Hast du Hunger, Ewa?«
    »Nicht wirklich. Aber ein Cheeseburger geht immer, und ich hab noch einen Gratis-Coupon, der verfällt morgen. Wäre schade.«
    Aha. Und während Jule über ein glorreiches Veto hirnte, fuhr rumpelnd die Bahn ein. Somit einsteigen und … Tarnkappe, schnell! Zu spät. Mit einem heldenhaften Hechtsprung schaffte es Tim in letzter Sekunde in den Wagon. Finn, sorry. Der

Weitere Kostenlose Bücher