Violett ist erst der Anfang
Kontakt zwischen ihnen riss nicht ab.
Ewa starrte, und schleuderte jedes Wort gnadenlos in Jules Richtung. »Weil wir uns geküsst haben? Das war doch alles nur ein Spiel, mehr nicht. Wir waren betrunken. Es hat mir nichts bedeutet. Gar nichts.« Zorn spiegelte sich in ihrem Gesicht, und sie feuerte den Lappen von sich. Er traf Jule, klatsch, direkt an der Brust. »Sie flirtet mit jedem, sie treibt es mit jedem. Ich steh nicht auf Spielchen. Am besten sie verschwindet aus meinem Leben. Für immer.«
»Cut!«
Bei Siggis Kommando zuckte Jule zusammen, wich einen Schritt zur Seite, tapste in eine Kabeltrommel, strauchelte, breitete die Arme aus und bekam im Fall einen Scheinwerfer zu fassen. Halt mich … Aber nö. Einträchtig krachte sie mit ihm und dem kompletten Gestänge zu Boden. Scheiße. Benommen schloss Jule die Augen und zählte bis zehn, doch nichts geschah. Niemand drehte die Zeit zurück, keiner bettete sie in Träume. Sie lag auf dem Bauch, total real, vernahm amüsiertes Prusten und spürte Augenpaare glotzend auf ihrem Arsch. Ich liebe es, mit Männern zu arbeiten. Welch gelungener Auftritt der Schweitzer, glatte Eins. Auf einer Skala von Eins bis Zehn versteht sich.
»Hast du dir was getan?« Das war Ewas besorgte Stimme dicht neben ihr. »Komm, warte, ich helfe dir hoch.«
»Fass mich nicht an!« Ruppig stieß Jule sie beiseite, plumps, jetzt lag die Bogacz auch. Sehr gut. Vor Jules Augen flirrte es. Alles nur ein Spiel, mehr nicht, ein bedeutungsloser Kuss im Suff, wie? Die Bogacz tickte doch nicht mehr ganz sauber. Schizo war die. Erst lockte sie einen an mit Säuselei und Zungenkuss, und dann wurde man grundlos mit Schimpf, Schande und Wischlappen davongejagt. Besten Dank. Jule rappelte sich hoch. »Jetzt pass mal auf, Fräulein«, zischte sie und ballte die Fäuste. »Unser Kuss … der, der … der hat mir auch nichts bedeutet. Und du … du, du … du interessierst mich einen Dreck!«
Sendepause, aus die Maus, und zugegeben, der Text war ziemlich Kacke. Impro, tja, klappte nicht immer. Hoch erhobenen Hauptes stolzierte Jule von dannen. Weg, weg, weg, schleunigst weg hier, direkter Kurs auf ihre Garderobe. Sie rannte über die Flure und irgendwen samt Aktenordnern um, was kümmerte es sie, nur ihr Knie, das pochte und tat höllisch weh von dem Sturz. In blindem Aktionismus packte Jule ihre Sachen, Tasche, Jacke, ihr Blick ging zum Spiegel und … verflucht, heulte sie etwa? Tatsächlich. Wie erbärmlich, Schweitzer. – Fresse, ich schieb’s aufs Knie. Schnell wischte sie sich die feuchten Spuren von den Wangen, puderte irgendwas drüber, wandte sich zur Tür und …
Knopfaugen. Funkelnd und bohrend. Ein Kribbeln erfasste Jule, als Ewa ganz langsam den Schlüssel im Schloss drehte.
»Du-du schließt uns ein?« Jeder weitere Gedanke fiel Jule schwer. Was sollte das? Erotisches Attentat, Klappe, die Zweite? Vor Publikum Ohrfeigen austeilen, aber unter vier Augen wieder schnurrig werden, wie?
»Jule …«, setzte Ewa mit weicher, doch bestimmter Stimme an und kam dabei näher. »Was wird hier eigentlich gespielt?«
Wenn das an einem Soap-Set mal nicht die Frage des Jahrhunderts war. Trotzdem klang sie absurd aus dem Munde von Frau B., die im Liebeswahn mal Hü lallte, mal Hott brüllte.
»Pfff.« Jules Beitrag zum Gespräch. Bei dieser durchgeknallten Polin war jedes Wort zu viel. In einem Moment supernett und in der nächsten Sekunde trat sie einem so richtig in den Arsch. Liebeskummer verlieh keine Lizenz zum Treten. Der Minutenzeiger klackte auf die Fünf. Konnte Macke oder Fliegenschiss sein, was da hell auf dem Glas der Uhr schimmerte und …
»Sieh mich an, Jule.«
»Pfff.« Ob mit oder ohne Sprung, die Wanduhr war hässlich.
»Sag mal, weinst du etwa?«
»Das geht dich einen Scheißdreck an!« Jule fuhr herum.
»Verstehe.« Ein leichtes Nicken, und Ewa versenkte ihre Rechte in der Hosentasche. »Warte, ich hab ein Taschentuch.«
Déjà-vu. Ein Fummelauftakt wie bei ihrem verschütteten Kaffee, und Jule lachte auf. »Ey, diese Masche ist so abgrundtief billig, Bogacz. Aber bitte, nur zu. Fass mich an. Wie willst du mich?« Suchend blickte sie sich im Raum um. »Hier so, breitbeinig auf dem Sessel? Oder wollen wir besser gleich noch eine Schippe draufpacken, Schminktisch, wie wär’s? Komm, ich hock mich drauf und räkel mich, exklusiv für dich und – au, verflucht!« Stuhl übersehen, Knie getroffen. Tränen schossen Jule in die Augen, vernebelten alles, alter Falter, tat
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