Violett ist erst der Anfang
das weh. Sie klappte ein, optisch, und emotional gleich mit, war doch schnuppe, mal ehrlich, dann flennte sie eben wie ein Mädchen. Wie ein fluchendes Mädchen natürlich.
Weich legte sich ein Arm um ihre Hüfte und geleitete sie stützend beim Hüpfen direkt in den Sessel. Schnief. Bein hoch, Augen zu, und laufenlassen. Eine Schweitzer war kein Jammerlappen, aber was zu viel war, war zu viel. Dieser ganze Tag, das Hin und Her mit Ewa, das ging an die Substanz. Ewas kraulende Finger auf ihrem pochendem Knie waren allerdings eine Wohltat, schnief, das musste Jule zugegeben. Langsam, ganz langsam, verebbte der Tränenstrom.
»Geht’s wieder?«, fragte Ewa vorsichtig, und Jule nickte kurz, ergriff das dargebotene Taschentuch und schnäuzte sich. »Weißt du, Jule, du jagst mir momentan mächtig Angst ein.«
Ich mir auch. Und du mir erst recht, Fräulein.
»Vorhin am Set zum Beispiel.« Ewa hockte sich dicht neben sie auf die Armlehne des Sessels. »Wie du mich angefaucht hast, Wahnsinn. Auch dein Auftritt hier bringt mich total ins Schleudern. Spielst du das, bist du Babett? Oder ist das alles echt, bist du Jule? Irgendwas rutscht gerade durcheinander.«
Na ganz grandios. Opfer Eins grüßt Opfer Zwei. Selbsthilfegruppe Violett hiermit eröffnet. Stumm knautschte Jule Falten ins Taschentuch und drehte es zwischen ihren Fingern.
»Dabei …« Ewa schien sich zu sammeln. »Dabei weiß ich eigentlich, was los ist.«
Jule sah auf. »Ach ja?« Jetzt wurde es spannend. Die Bogacz war bereit zum Geständnis, dann immer her mit der Liebeserklärung.
»Jule, du … hast dich in mich verliebt, richtig?«
»Wie bitte?«
»Hey, komm, keine Panik. War mir klar, dass du es abstreiten wirst. Aber dein Verhalten spricht Bände. Wie nervös du wirst, wenn ich in deiner Nähe bin. Oder sobald ich dich flüchtig berühre. Andauernd läufst du weg. Und vorhin, auf dem Flur … Spätestens nach deinem Kuss war mir alles klar, eigentlich schon davor. Ey, wie du mir immer auf die Möpse schielst, Jule. Glaubst du, ich bin blind?«
Shit. Jule schluckte schwer angesichts dieser Beweislast, und sie bekannte sich auch schuldig in allen Punkten, nur … Sekunde, das lief hier gewaltig in die falsche Richtung.
»Bravo, Bogacz. Perfektes Ablenkungsmanöver. Fast wäre ich drauf reingefallen. Aber du musst ein Geständnis ablegen. Du, du, du – nicht ich.«
»Ge-Geständnis?«
Jule schnaufte. »Jetzt tu nicht so scheinheilig. Du fummelst pausenlos an mir rum. Dazu deine aufgeladenen Blicke ständig. Kaum rede ich mit einem Typen, drehst du durch und grillst mir. Die Szene gerade war …«
»Text aus dem Drehbuch. Eins zu eins, kannst du nachlesen. Viola ist gekränkt, weil Babett …«
»Hör auf mit dieser Scheiße!« Jule sprang auf, autsch, ihr Knie. Egal. Sie stemmt sich die Arme in die Hüften und funkelte Ewa aufgebracht an. »Du bist so was von in mich verschossen, Fräulein. Gestern Abend, dein romantisches Gerede auf der Couch. Jule, wir bleiben immer zusammen, Violett forever, sülz. Alles vergessen, wie? Und wie du mich abgeknutscht hast und …«
»Ich habe – was?« Frau B. sah aus, als wäre sie mit voller Wucht gegen eine Glastür gerannt.
»Mich geküsst, jawohl! Der Taxifahrer ist mein Zeuge. Gesabbert hat der, ey, der Lars hat jedes Detail mitgeschnitten.« Und der erzählt davon bestimmt noch seinen Enkeln, wenn er neunzig ist.
Volltreffer. Kirschrotes Ohrläppchen, dazu wüstes Gewuschel im Haar. Ewa war von der Rolle. »A-Aber, Jule«, stammelte sie irgendwann. »Und was heißt das jetzt? Du liebst mich irgendwie und ich lieb dich irgendwie, oder wie?«
Mit einem gequälten Seufzer plumpste Jule zurück in den Sessel. »Ganz ehrlich? Mir gerade scheißegal. Aber wir müssen das irgendwo einsortieren, sonst dreh ich durch.«
»Wie denn? Dieser angebliche Kuss …«
»Nix angeblich. Mir hat der halb das Hirn zerfetzt. Verdammt flinke Zunge, Fräulein, das muss ich schon sagen.«
Ewa hob eine Augenbraue. »Echt? Komm, du übertreibst. An so ein Highlight würde ich mich erinnern und …«
»Deine Ausreden helfen uns kein Stück, Bogacz!«
Die Situation, sie war zum Brüllen. Und sie traten auf der Stelle. Jule atmete tief durch. Konzentration. Augen zu und durch. Wenn bei Frau B. keine alte Erinnerung aufzutreiben war, musste eben eine neue her.
»Okay. Einmal langsam zum Mitmachen. Du hast meinen Kopf genommen.« Vorsichtig legte Jule ihre Hände auf Ewas Wangen, huch, heiß. »In dieser Position hast
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