Violett ist nicht das Ende
einem gemeinsamen Zigarettenpäuschen verdonnert. Kippe zwischen die Lippen, Feuer dran. Froschauge qualmte und schwieg. Mit einem erleichterten Lächeln im Gesicht kam Ewa auf Jule zu.
»Jule, du bist genial. Alicja war das Zauberwort. Sorry, ich stand gerade auf dem Schlauch.« Schon kroch Ewa in den Wagen und schlug die Tür zu. Sie beugte sich in den Fahrerraum, blickte sich um und drückte irgendwas. Prompt klackte es auf allen Seiten. Dann reihte sie sich ein auf der Rückbank.
Jule schluckte. »Sag mal, hast du uns etwa … eingeschlossen?«
»Ich muss mal eine Sekunde durchschnaufen. Aber ey, hätte ich gewusst, wie eng das bei euch ist, dann wäre ich lieber vorne …«
»Willst du auf meinen Schoß, Süße?«
Das ließ sich Ewa nicht zweimal sagen. Umständlich ordnete sie ihre Glieder neu, bis sie rittlings auf Jule hockte. So verweilten sie einen Moment, abgeschirmt von der Welt, und sahen sich einfach nur an.
Ewas Lächeln wirkte erschöpft. »Jule, was passiert hier eigentlich mit uns? Ich meine, hängt das mit unserem Frau-Frau-Ding zusammen? Ey, ich bin sonst nicht so. Bei dir … da hab ich auf einmal so einen Beschützerinstinkt. Total krass. Tunnelblick. Ich hatte brutal Schiss, verstehst du? Dass die dich schlecht behandeln, dass du gehst, dass ich dich verliere, dass …«
»Ssscht, beruhige dich. Das ist … normal.«
»Normal? Ne, Jule. Sonst würden ja alle Lesben dieser Welt ständig Amok laufen.«
»Aber mir ist es vorhin genauso gegangen, Süße. Diese Situation, dieses verdammte Kinderthema und wie verletzt du geguckt hast. Das hat so weh getan. Und ständig dieses hirnlose Gequatsche von der Niete im Ohr, dieser unsensible Sack, der …«
»Ssscht. Ich versteh dich. Boah, was für eine Scheiße, oder?«
»Das kannst du laut sagen.«
»Scheiße!«, brüllte Ewa und Jule zuckte zusammen. »Geil!« Ewa strahlte. »Los, mach mit. Das hilft. Uns hört ja niemand.« Jules Blick ging zum schlafenden Krysztof. »Keine Sorge. Der ist voll und pennt. Neben dem kannst du ein Hochhaus sprengen.«
Na dann. So brüllten sie sich im Duett lautstark die Scheiße in diversen Wortvarianten von der Seele. Natürlich auch Polnisch mit »Kurwa!«, ausgelassen wie Bergsteigerkinder vor ihrer ersten Echowand im Gebirge. Wie befreiend.
Erleichtert kuschelte sich Ewa an Jule. »Oh Mann. Bald sind wir reif für die Klapse.«
»Glaubst du, Piotr kann uns wirklich rausboxen?«
»Das hoffe ich. Dieser Bulle war echt eklig. Wäääh.« Ewa verzog das Gesicht. »Als ich meine Hand bei dem da in der Hose …«
»Vergiss den Kerl. Küss mich.« Kaum hatte Jule den Wunsch ausgesprochen, schlossen sich warme Hände um ihr Gesicht und Jule erschauderte, als sich Ewas Lippen gefühlvoll auf ihre legten. Phänomenal. Knutschen konnten sie einfach. Hach …
Seufzend ließ sich Jule gegen ihre Süße sinken und schmiegte ihre Wange verträumt an Ewas weiche Brust. Sie konnte Ewas Herzschlag hören. Ganz fest, ganz klar, unfassbar beruhigend. Verrückt. Wie vertraut es inzwischen war, Ewas Nähe zu genießen, und ihre Wärme, so betörend wie ein knisternder Kamin nach einem Spaziergang durch ungnädige Kälte.
»Mit dir könnte ich ewig so sitzen bleiben.« Jule schnurrte.
Ewa gluckste. »Dann würden sich die Bullen aber ziemlich wundern, wenn sie irgendwann wiederkommen.«
»Sollen sie doch«, sagte Jule. »Mit dir habe ich das Gefühl, dass mir nichts und niemand etwas anhaben kann.«
»Das geht mir genauso. Hauptsache, du bist da.« Ewa grinste bis über beide Ohren. »Und ich weiß, das klingt jetzt vielleicht blöd, aber …« Ihre Ohren glühten. »Okay, ich sag es besser nicht.«
Jule hob den Kopf. »Was denn?«
»Vergiss es. Es ist nichts.«
»Hey, mein Schatz, du kannst mir alles anvertrauen, hörst du? Ich will wissen, was in dir vorgeht und …«
»Ich find dich in Handschellen total geil.«
»Bitte?«
Rums. Ein intimes Geständnis mit brisantem Inhalt. Das verdau mal, Schweitzer. Verlegen wandte Ewa den Blick ab, vermutlich war sie heilfroh, dass Jule ihr keine kleben konnte. Tja. Wäre Jule wirklich die Hand ausgerutscht unter ungefesselten Umständen? Schwer zu sagen. Diese missglückte Nummer in Alicjas Doppelbett – wie leidenschaftlich sich Ewa auf sie gestürzt hatte, wie weggetreten und erregt. Diese intensiven Küsse, dieses Prickeln …
Jule räusperte sich mühsam. »Sag das noch mal.«
»Also … es ist …« Ewa brach ab.
»Es macht dich echt an?«
»Ja.«
»Selbst mit
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