Violett ist nicht das Ende

offenbar weichzuklopfen. Die Sache war mysteriös.
    »Ich musste auf den Schlagstock schwören, dass wir Ewa eine Leine kaufen und dir einen Maulkorb.«
    »Du warst noch nie witzig«, sagte Ewa trocken.
    »Dauerkarte für St. Pauli.«
    Jule traute ihren Ohren nicht. »Freier Eintritt beim Fußball, und die knicken ein?«
    »Natürlich«, sagte Piotr. »Wir sind Männer.«
    »Fuck. Für beide?« Ewa wurde blass. »Wie teuer wird das denn?«
    »Süße, keine Sorge. Ich erledige das mit Kreditkarte.«
    »Gib uns lieber einen aus.« Piotr zwinkerte ihr zu. »Der Security-Chef vom Stadium ist ein Kumpel von Alicja.«
    Ein Engel auf Erden mit Netzwerk. Krass. Innerlich schüttelte Jule den Kopf. Noch nie war ihr ein solch verrückter Haufen quergekommen. War der ansteckend? Offenbar und heilige Scheiße, ihr schoss das Blut in die Wangen. Beinahe-Sex in einem Polizeiauto. Hatten sie diese Nummer gerade tatsächlich abgezogen? Schweitzer, das nenne ich mal Schwung in deinem Spießerleben. Es war unglaublich. Einfach unglaublich.
    »Könnten wir einen Schritt schneller gehen?« Ewa beschleunigte. »Wenn uns die Bullen noch mal …«
    »Alles gut, mein Schatz.« Jule hakte sich bremsend bei ihr unter. »Die Idioten können uns nichts mehr. Wir sind frei.«
    »Aber ich, äh … hab was für dich.« Ewa griff in ihre Jackentasche und überreichte Jule ein Präsent. »Das lag vorne in der Ablage. Vielleicht sollte ich es dir erst morgen geben. Zum Zweitägigen, mit Schleife und so. Nur wäre mir irgendwie wohler, wenn du es schon jetzt hast. Außerdem wolltest du immer eines.«
    Ungläubig drehte Jule das Ding zwischen ihren Fingern. »Ein Pfefferspray?«
    Ewa nickte.
    »Gott, bist du süß.« Jule riss ihr polnisches Fräulein an sich und knutschte es gegen die nächstbeste Wand. Genauer gesagt gegen die Glasfront eines vollbesetzten Döner-Imbiss. Egal. Blicke ignorieren, Augen zu und genießen. Hach.
    Ewas Wangen glühten. »Du bist … nicht sauer?«
    »Weil du den Bullen Spielzeug geklaut hast?« Jule lachte auf. »Quatsch. Die haben es verdient.«
    »Gut, denn … äh … ich …«
    »Bogacz! Du hast auch die Handschellen mitgehen lassen?«
    »Unsere waren doch Mist.«
    Ausgerüstet mit Handschellen und Pfefferspray lag vor ihnen die große Freiheit. Also die Große Freiheit. Eine mit Leuchtreklame überwucherte Seitenstraße der Reeperbahn. Ziemlich am Anfang zur Linken – das Dollhouse. Ein Blick genügte, und Jule atmete auf. Halleluja, keine angesiffte Kellerklitsche mit gehisster Polenflagge davor. Der Stripladen hatte offenbar Niveau, was auch immer das heißen mochte. Auf diesem Terrain kannte sich Jule nicht aus. Woher auch? Ein paar Strapse auf der Bühne machten sie nicht zur Expertin für Hamburgs sündige Meile. Bei Table Dance ging es um erotischen Hüftschwung, verruchte Outfits, nackte Haut und lüsternes Kopfkino. Und damit war Jule mit ihrem Vorwissen am Ende. Zumindest klang es geiler als Mutti auf der Eckbank.
    Sie mischten sich ins Getümmel. Vor dem Dollhouse belagerte eine Gruppe diskutierender Amis die Kasse und sorgte für Stau in der Warteschlange. Jule nutzte die Zeit für eine Runde Einfach-nur-kuscheln. »Ich fasse es immer noch nicht.« Sie hauchte Ewa ein Küsschen auf die Wange. »Klaust du gern?«
    »Jule!«
    »Was denn?« Sie verdrehte die Augen. »Das war eine ganz normale Frage.«
    »Für wen hältst du mich? Nur weil ich polnische Wurzeln habe, bin ich nicht kriminell.«
    »Wowhow, stopp, Fräulein. Fürs Protokoll: Mit der Polennummer fängst du hier gerade an. Ich hab nichts gesagt.«
    »Aber gedacht, Jule.«
    Ist das ein Wunder nach der Sonnenbrille, der Tarotkarte, dem Pfefferspray, den … »Hast du zufällig meine pinke Leggins?«
    »Ich geh nicht an Babetts Klamotten, Ehrenwort.« Ewa hob die Hand zum Schwur. »Das hässliche Ding hat jemand heimlich verbrannt. Jede Wette. Vermutlich du selbst, damit du endlich eine vernünftige …«
    »Spuck’s aus, Fräulein. Deine Ohren glühen.«
    Ewa fixierte ihre Schuhspitzen. »In der Kulisse vom Café Butterblume fehlt ein Zuckerstreuer. Zufrieden?«
    »Nicht dein Ernst.«
    »Meine Güte, das war ein Notfall. Zucker in der WG war alle, und ich brauche morgens meinen Kaffee und zwar süß!«
    »Ssscht, schon gut.« Druck der Verzweiflung, verstehe.
    »Ich bring ihn ja auch zurück, ehrlich.«
    Bestimmt. Wie die Handschellen. Hust. »Fräulein, aber hier drin drehst du kein krummes Ding, versprochen? Nur gucken, nichts anfassen. Wir