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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Ewa schluckte.
    Da war ja noch was. Dieser klitzekleine Sonderpunkt auf der Tagesordnung: Coming-Out vor Mutti. Hastig umrundete Ewa den Tisch und setzte sich neben Jule auf die Eckbank. Im Schutz der Tischdecke tastete sie nach Jules Hand. Wunderbar, eine schöne erste Stellungnahme, auch wenn diese inzwischen, na ja, ein bisschen überflüssig war nach der intensiven Schweitzer’schen Vorrede mit Schwiegermutti. Aber schön, schön war sie definitiv.
    »Ihr trinkt Tee?« Überrascht linste Ewa ihnen in die Tassen.
    »Willst du auch einen?«, fragte Mama Bogacz, schon halb auf dem Sprung.
    »Lass. Ich nehm einen Schluck von Jule. Äh, darf ich, Jule?«
    »Na klar.« Jule reichte ihr den Becher.
    Ewa trank. »Boah, bäh!« Angewidert verzog sie das Gesicht. »Du hast den Zucker vergessen.«
    »Ich trinke ihn immer ohne, Süße.«
    »Oh.«
    »Soll ich dir einen Kakao machen?«, bot Mama Bogacz an.
    Ewas Miene hellte sich auf. »Kakao mit Sahne? Boah, geil, das wäre …« Sie brach die Euphorie ab. »Nicht nötig, Mama.«
    »Aber den magst du doch so gerne. Oder zählst du Kalorien? Ewka, wenn du es übertreibst mit dem Abnehmen, dann gnade dir …«
    »Ich mache keine Diät.«
    »Warum willst du dann keinen Kakao?«
    »Mama, ich sagte, ich trinke bei Jule mit.« Gereizt nippte Ewa erneut am Tee, total abgebrüht und extrem tapfer.
    Wortlos stand Jule auf, angelte die Zuckerdose aus dem Regal und häufte los in ihre Tasse. »Reicht ein Löffel? Oder zwei?«
    »Öhm, lieber zwei.«
    »Also sind drei okay?«
    »Perfekt, Jule.«
    »Keks?«
    »Geil. Gibt es welche?«
    »Sicher.« Eiligst spurtete Jule auf den Flur, griff sich die Tüten von der Tanke, kehrte zurück, wühlte zwischen all den leeren Prosecco-Dosen die Prinzenrolle hervor, riss sie auf und reichte Ewa einen der schokoladigen Doppeldecker. »Falls die okay sind, Süße. Also wir hätten alternativ noch … « Kram-Krusch.
    »Lass, Jule. Alles perfekt.« Der schnuffige Zwerg strahlte.
    Jule bekam einen Zuckerschock. Vom gnadenlos übersüßten Tee, klar, aber vielmehr von Ewa, wie die da so im Krümelmonster-Shirt auf ihrem Keks herumkaute und sie umwerfend schief angrinste. Sie himmelten sich außerplanmäßig eine Runde an, hielten verstohlen Händchen, bis …
    »Sagt mal, warum sitzt ihr hier eigentlich?« Ewa sah von einer zur anderen. »Um diese Zeit?«
    »Hat sich so ergeben, Ewka. Jule war zum Glück noch wach.«
    Sprach die Stalkerin aus dem Schlafzimmer. Pfff.
    »Und worüber habt ihr so gesprochen?« Unsicher blickte Ewa zu Jule, und die drückte ganz leicht ihre Hand.
    »Über dich und mich, unsere Beziehung.«
    »Echt?« Ewa schluckte. »Mu-muss ich noch was … erklären?«
    »Nicht jetzt«, meinte Mama Bogacz ruhig. »Mein Gespräch mit Alicja war sehr interessant. Sie hat mir erzählt, dass ihr …«
    »Boah, ne!« Ewa schmiss ihren Keks auf den Tisch. »Ey, wenn diese Quasselstrippe mal wieder ihre verdammte Schnauze nicht halten konnte und irgendwas ausgeplaudert hat, von wegen Küchentisch und Handschellen, dann hau ich …«
    »Handschellen?«
    Eine spontane Stille machte sich in der Küche breit. Unschön, überaus unschön. Jule schwankte zwischen Aufschrei oder springen, Ewa ohne Gnade an die Gurgel springen, nämlich. Ich bring dich um, Süße, und man wird mich freisprechen. Letztendlich entschied sich Jule für Schockstarre, Schweißausbruch und Rumgestammel. »Frau Bogacz, das ist nicht so, wie-wie Sie vielleicht denken.« Es ist schlimmer, Mutti, weiß Gott schlimmer. Frag die Bullen.
    Interessiert sah Mama Bogacz sie an. »So? Was denke ich denn?«
    »Mama, mach dich locker«, ergriff Ewa relaxt das Wort. »Jule und ich waren vorhin shoppen auf dem Kiez, bei einem Kumpel von Alicja. Da gibt’s Rabatt. Die Handschellen haben wir just for fun mitgenommen. Für Piotrs Junggesellenabschied, als Gag. Der Plan war, na ja, kam dann aber doch alles irgendwie anders und … ach egal. Was wolltest du sagen?« Mit oscarreifer Unschuldsmiene schlürfte der Zwerg Tee und griff sich einen zweiten Keks.
    Krass. Die eigene Mutter kann sie anlügen, ohne rote Wangen.
    »Ewka?« Mama Bogacz hob mal wieder einen Augenbraue. »Ich glaube dir kein Wort.«
    Ewa sah auf. »Warum?«
    »Deine Ohren, die …«
    »Dann lass es, Mama!«
    »Nun gut.« Mama Bogacz winkte ab. »Geht mich ja nichts an. Wo waren wir? Ach so, bedank dich bei Alicja. Das Gespräch mit ihr hat gut getan. Und auch die Unterhaltung mit Jule. So viel Offenheit ist nicht

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