Violett ist nicht das Ende
Schädelspalter und füllte im Rekordtempo die Schnapsgläser.
Dann stutzte sie. »Wir haben doch was zu feiern, oder?«
»Nicht jetzt, Alicja«, sagte Mama Bogacz. »Die beiden müssen ins Bett.«
»Mama«, brummte Ewa. »Ey, spar dir solche Sprüche. Wir sind nicht mehr fünf.«
»Aber im Eimer, Süße.« Jule registrierte mit einem Mal die Müdigkeit in ihren Gliedern.
»Egal. Einen trinken wir noch.« Alicja wedelte mit der Pulle. »Dabei könnt ihr zwei Turteltauben mir auch gleich erzählen, wie ihr euch das so vorstellt mit der Hochzeit.«
Was? Jule fummelte an ihrem Ohr und fahndete nach einem Hörsturz. Hatte Alicja ernsthaft das Thema Für-immer-und-ewig angeschnitten? Ausgeschlossen. Alter, kein Mensch würde jemandem nach weniger als zwei Tagen Beziehung einen Ring an den Finger quatschen wollen. Soap-Autoren ausgenommen. Ne, das musste ein Scherz sein. Äh, nur: Warum verzog kein Vertreter der Ostfraktion lachend das Gesicht? Nicht einmal Ewa?
»Hochzeit?« Jule krallte sich an Ewas Oberarm.
»Auaha!«, jaulte die auf. »Spinnst du?«
»Ich … also … ich … das geht mir jetzt … zu schnell.«
»Was?«
»Ho-Hochzeit.«
»Warum? Wehe, du kneifst.« Ewa sah sie eindringlich an. »Du gehörst zu mir, und als Paar müssen wir da durch, Jule. Natürlich wird es Horror. Aber wir ziehen das zusammen durch, okay? Das wird ein beklopptes Event in unserem Leben. Ein einziges, mehr nicht.«
Bogacz, du bist so romantisch wie ein Tischgrill. »Aber … ich meine, da hängt so wahnsinnig viel dran und …«
»Quatsch. Um die Organisation kümmert sich Alicja. Eventmanagerin, schon vergessen? Wir müssen ihr nur sagen, was wir wollen. Hotel, Essen und so Kram. Damit sie alles besser planen kann. Um am Tag selbst ziehen wir uns was Schickes an und …«
»Du den Anzug und ich das Brautkleid?«, warf Jule ein, gespickt mit Ironie. Oder Galgenhumor? Keine Ahnung.
Ewa kratzte sich am Kopf. »Äh … wie meinst du das jetzt?«
»Fräulein, ich trage keine Hosen, wenn ich dich heirate.«
»Du willst – was?«
»Ein Brautkleid. Mir schnurz, ob das irgendeine Lesbe da draußen spießig findet. Und ich bestehe auf Kutsche.«
»Jule …« Ewa schluckte. »Also … aktuell geht es hier um die Planung von Alicjas Hochzeit mit Piotr.«
»Oh.«
»Und du dachtest … dachtest du … oh mein Gott!« Ewa wurde schon wieder blass.
»Süße …« Jule fühlte dagegen das Glühen ihrer eigenen Wangen. MacGyver-Memo für die Zukunft: Erstens, nur brennendes Dynamit entschärfen und zweitens, niemals mit Feuerzeug. Glückwunsch, Schweitzer. Hochzeit angezettelt oder vergeigt, für immer?
Alicja knuffte Mama Bogacz in die Seite. »Hach, hab ich es dir nicht gesagt? Die beiden sind der Knaller. Zrówko!«
Die Gutemine verteilte Schubrrr und Stößchen, sie kippten sich alle artig eine Fuhre rein, und Jule war dankbar für diese Ablenkung. Nur nahm der Schädelspalter hinterhältig die falsche Abzweigung und sie röchelte und hustete um ihr Leben. Ewa klopfte ihr auf den Rücken, so feinfühlig wie ein Schmied auf seinen Ambos. Autsch, doch insgesamt rundete es die Nah-Tod-Erfahrung stimmig ab.
»Geht’s, Jule?« Ewas Stimme war immerhin weich wie Butter.
Jule nickte tapfer. Hustend ergriff sie das Taschentuch, das ihr Alicja reichte, und trank einen beruhigenden Schluck aus dem Wasserglas, das Mama Bogacz eiligst herbeischaffte. Uff, die Erstickungssymptome klangen ab. Langsam, sehr langsam.
»Ewka, Jule ist wohl nicht besonders trinkfest, oder?«
»Das täuscht, Mama. War nur alles etwas viel heute.«
»Dann bring sie ins Bett. Und vergesst euren Kakao nicht. Warte, ich trage ihn.« Mama Bogacz nahm die Tassen und Ewa stützte Jule.
Die Karawane zog ins Schlafzimmer. An vorderster Front wuselte Alicja und schüttelte die Kissen auf für Jule. Die sank auf die Matratze und wurde von helfenden Händen in eine Decke gehüllt.
»Dobranoc«, säuselte Mama Bogacz.
Jule sah auf. »Äh-hust-heißt?« Saufniete?
»Gute Nacht.« Es folgte ein mütterlicher Kuss auf Jules Stirn.
»Gute N-äh, do-dobranotz, Frau äh-hust, Magdalena.«
»Träum schön, Liebes.« Auch von Gutemine gab es einen weichen Schmatz, ehe sich Jule in die Kissen buddelte und Ewa die beiden Damen zur Tür geleitete.
Mein süßer Kavalier im Krümelmonster-Shirt. Schnurr …
»Braucht ihr noch was?«, erkundigte sich Alicja.
Ewa hielt die Hand auf. »Den Schlafzimmerschlüssel.«
»Lieber nicht.« Alicja lachte. »Ich möchte keine
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