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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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Tarnflecken. Welch schicker Look für Bundeswehrfetischisten. Zu denen Jule leider nicht zählte. Ewa hatte es noch schlimmer getroffen. Alicjas Anorak war ein Event fürs Auge. Bonbonrosa mit Herzchenmuster, dazu eine Kapuze mit schneeweißem Fellrand. Schweigend stülpte Ewa sie sich über, vielleicht in der Hoffnung, es wäre eine Tarnkappe. Gänzlich sorgenfrei schien allein der Kleine. Der pischerte gegen einen roten Mülleimer, auf dem der Spruch prangte: ›Wenn ich groß bin, werd’ ich ein Container.‹
    Jule seufzte. »Süße, wie spät ist es?«
    »Kurz vor fünf.« Ihre Stimme klang frostig.
    »Sag mal, bist du … irgendwie … sauer auf mich?«
    »Wundert dich das?« Ewa trat Kiesel über den Asphalt.
    »Menno, ich weiß. Ich hätte dich vorher fragen müssen, ob du überhaupt noch Bock auf den Markt hast. Aber … Himmel, Alicja und deine Mutter. Wham! Wären wir nicht gegangen, hätte ich gebrüllt.«
    »Im Doppelpack sind die beiden die Hölle.«
    »Dann bist du also doch nicht böse, Süße?« Jule klimperte wie blöde mit den Wimpern. Ging in der Regel mit Kontaktlinsen sehr becircend, und Halleluja. Auch der Zwerg schien einzuknicken. Ein Lächeln huschte über Ewas Gesicht.
    »Spaziergang zum Hafen?«, schlug Jule vor.
    Ewa nickte, nahm ihre Hand und gab die Richtung vor, über Pflastersteine und angeranzte Seitenstraßen grob in Richtung Elbe. Lässig hielt Jule die Leine um ihr Handgelenk geknautscht, an der sich der Kleine neugierig durch St. Pauli schnüffelte.
    »Wir könnten Kommandos üben«, sagte Jule. »Was heißt noch mal Sitz, Süße? Dieses Leschätschk oder lieber Polotschiau-Dingends?«
    Ewa kaute am Daumen und reagierte nicht sofort. »Könnten wir vorher noch was anderes klären, Jule?«
    »Was denn?«
    »Vorhin, in der Küche … Dachtest du da wirklich, dass wir beide … heiraten?«
    Herr, schenke mir ein Erdloch oder meiner Freundin Amnesie. Amen. »Vergiss das bitte, okay? Ich stand voll auf der Leitung.«
    »Aber mich hat das total geschockt, Jule.«
    »Heißt das, du-du willst nicht heiraten? So generell oder … mich speziell?« Jule bereute die Frage sofort. »Streich das. Hab nichts gesagt. Erstens ist es viel zu früh und zweitens, ich verstehe das schon. Eine Beziehung hält oder eben nicht, mit oder ohne Ring. Und selbst eine Verlobung ist noch lange keine Garantie dafür, dass man am Ende zusammen …«
    Abrupt blieb Ewa stehen. »Jule, du warst … warst du mal …«
    »Verheiratet? Haha, Brüller, Bogacz. Sehr witzig.«
    »Nein, also, ich meine … warst du … gab es mit deinem Ex …«
    Jule hob eine Augenbraue. »Hochzeitspläne?«
    »Ja.«
    Einen Moment lang zögerte Jule, während sie die Leine in ihren Fingern drehte. Wie ein Stachel saß die Erinnerung in ihr. Rausrupfen ging nicht. Konnten sie die Wunde nicht ignorieren und vergangene Zeiten ausklammern? Nur leider erwartete Ewa eine Antwort. »Ja. Es gab Pläne.«
    »Scheiße.« Ewa schluckte.
    »Komm, natürlich war Heiraten ein Thema. Fast sieben Jahre Beziehung, Ewa. Wobei Pläne, das trifft es nicht ganz. Es waren wohl eher … tja. Absichten.«
    »Er hat dir also einen Antrag gemacht?«
    Autsch. »Süße du, ich glaub, ich kann den Hafen fühlen. Riecht schon nach Wasser, findest du nicht?«
    »Lenk nicht ab.« Dazu ein Röntgenblick.
    »Herrgott, na schön!«, platzte es aus Jule heraus. »Nicht er, sondern ich habe ihn gefragt. Zufrieden? Hab’s aber total beknackt verpackt. Könntest du dir vorstellen gegebenenfalls eventuell irgendwann rein theoretisch blabla. Beim entscheidenden Wort mit H hat sein Handy geklingelt. Die Firma. Jippi. Er hat im Flur telefoniert, und ich hab mir in der Küche Mut angetrunken. Mit Rotwein. Super. Den zweiten Anlauf hab ich somit komplett verlallt und der hat sich bepisst vor Lachen.«
    »Autsch. Und dann?«
    Jule zuckte die Schultern. »Er hat mich in den Arm genommen. Jule, nicht hier, nicht jetzt, nicht so. Überlass diese Frage mir. Aber keine Angst. Spätestens, wenn bei uns wieder ein süßer Spatz unterwegs ist, werden wir beide …«
    »Fuck!«, sagte Ewa viel zu laut. »Er hat es an eine Schwangerschaft gekoppelt?«
    »Tja.« Jule musterte ihre Stiefelspitzen.
    »Also hat er dich nie gefragt?«
    »Nein. Schade. Der Ring war geil. Gold, mit blass-rosa Stein.«
    Ewa stutzte. »Woher weißt du das?«
    »Ich hab ihn zufällig gefunden. Im Werkzeugkoffer. Tja. Da will ich einmal selbst einen Nagel in die Wand hauen und … Egal.« Sie zuckte mit den Schultern.

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