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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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»Spätestens im Urlaub wäre ich darauf gestoßen. Da lag das Kästchen vorne rechts im Kulturbeutel. Brillantes Versteck. In dem Ding hatten wir beide unsere Zahnbürsten.«
    »Du hast also den Ring immer gesehen und ständig gehofft, dass er dir endlich einen Antrag macht?«
    Jule seufzte. »Irgendwann nicht mehr. Da hab ich nur noch sporadisch geguckt, ob es inzwischen eine Gravur gibt. Name, Datum. Fehlanzeige. Sein Glück. So konnte er ihn wenigstens …«
    »Sag bitte nicht, dieses Arschloch hat den Ring Sabine …«
    »Den Ring umtauschen, meine ich. Die Quittung lag dabei. Das schicke Ding war unfassbar teuer. Für Sabine Wurstfinger absolut ungeeignet, viel zu filigran. Aber ich wette, die haben den Verlobungszirkus ohnehin übersprungen, und Sabine ist gleich trächtig vor den Altar gerollt und hat Ja gebrüllt, schon halb in den Presswehen und …«
    »Komm mal her.« Ewa nahm sie in die Arme.
    Die Vergangenheit warf mal wieder ihre Schatten in die Gegenwart, und die schien still zu stehen.
    »Alter, der Typ ist so ein Idiot«, sagte Ewa irgendwann. »Wehe, du widersprichst mir. Der hat dich nicht verdient.«
    »Stand leider nicht auf seiner Stirn.«
    »Ich meine das ernst. Du redest den immer so groß.«
    Jule musste grinsen. »Das war er ja auch. Eins dreiundneunzig.«
    »Boah, mir doch egal! Der hat weder einen Heiligenschein noch eine weiße Weste. Also hau dem Penner endlich Dreck an die Rübe, Jule.«
    »Das kann ich nicht, Ewa.«
    »Du kannst und du musst.«
    »Nein.«
    »Warum? Ob bewusst oder unbewusst, dieser Typ hat dir echt Kerben reingehauen, Jule. Raffst du das nicht? Du musst …«
    »Der gehört zu meiner Biografie, verflucht noch mal!«, fuhr Jule sie an. »Und es hilft rein gar nichts, wenn ich jetzt auf jede Erinnerung das Wort ›Scheiße‹ schreibe. Weil es nicht stimmt! Und weil ich mich dann noch kleiner fühlen würde als ohnehin schon bei der Geschichte. Lieber wurde ich abserviert von einem Halbgott, der jede Träne wert war, statt von einem Vollhorst, an den ich mich demnach unwürdig verschwendet habe. Kapiert?«
    »Okay.« Ewa zerstrubbelte sich die Fransen. »Wenn du das so siehst, dann anders. Wie war er im Bett?«
    »Wie bitte?« Jules Augen weiteten sich. »Ey, diese Details gehen dich nichts an, Fräulein. Er war toll.«
    »Mist«, zischte Ewa leise. »Wirklich?«
    Jule wurde heiß. »Äh … wie soll ich sagen? Nach so langer Zeit ist man eben eingespielt und man weiß, wo alles ist und …«
    »Dann war jedes Mal ein Knaller?«
    »Quatsch. Ich erinnere mich durchaus an Momente, in denen …«
    »Perfekt.« Ewas Miene hellte sich auf. »Präg dir eine davon ein, und beschreib mir das Bild. Was habt ihr …«
    »Was wohl.« Jule verdrehte die Augen.
    »Schon klar. Aber wie? Ich meine … äh … was, also … wie … du weißt schon. Die unperfekte Szene.«
    »Wohnzimmercouch. Während wir … lief im Hintergrund das Champions League Finale weiter. Ton war weggedrückt, und mittendrin – Tor! Crespo mit rechts, Jule, guck mal, Hammer-Schuss.«
    »Fuck, Scheiße.«
    »Genau. Für mich war die Nummer durch, und Mailand hat auch verloren. Elfmeterschießen. Tja.« Hätte ja klappen können.
    »Aha. Konnte er küssen?«
    »Natürlich.«
    »Deine Antwort überzeugt mich nicht.«
    »Ewa, Kerl eben. War schon nett. Aber diese Bartstoppeln, boah, manchmal hing mein Kinn echt in Fetzen. Weißt du, was ich meine? Ach so, sorry. Natürlich weißt du’s. Stehst da ja drauf.«
    »Ich?« Ewa klang schockiert.
    »Musiker, Dreitagebart?«
    »Fünftagebart. Mindestens. Oder konsequent rasiert. Alles dazwischen ist Schmirgelpapier, so was von link.«
    »Schon, oder? Ey, und immer wenn er einen sitzen hatte, dann hat er … Moment. Ich demonstrier es dir.« Jule grub ihre Hand in Ewas Nacken, presste ihr die Lippen auf den Mund und versenkte forsch ihre Zunge.
    »Woah, bäääh.« Nach der abgrundtief rührenden Vorstellung verzog Ewa das Gesicht. »Tu das nie wieder, hörst du? Das war …«
    »Fies, was? Betrunken war er echt grenzwertig.« Jule seufzte. »Dann fing er an mit Karnevalliedern und wollte dazu Salsa tanzen. Hoffnungslos. Da hab ich mich doch lieber halb totgebügelt an seinen Bürohemden. Was eine Scheiße. Zum Glück hatte er im Urlaub knautschfreie Polohemden. Und ständig Sonnenbrand. Da konntest du draufschmieren, was du wolltest. Lichtschutzfaktor 30, wasserfest, früh, mittags, abends und der schlurfte da trotzdem rum wie ein gegrillter Krebs. Die Urlaubspostkarten

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