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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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wipp endlich.«
    »Das will ich doch.«
    »Ich auch, Fräulein, ich auch.«
    Die Lage blieb unverändert. Jule oben, Ewa unten. Tja.
    »Menno, mach dich irgendwie schwerer, Jule.«
    »Ich … versuch’s ja, aber …« Angestrengt hopste sie auf ihrer Seite auf und ab. Ohne Effekt.
    »Boah, ne.« Ewa stöhnte auf. »Diese Nummer killt echt mein Ego.« Und sie erhob sich.
    Shit! Augenblicklich sackte Jule auf dem Brett in die Tiefe, bremste den Fall gerade noch mit den Beinen ab und verfehlte haarscharf die Schmuddellache. Na besten Dank, Bogacz. Stimmung im Sinkflug. Ewa hatte die Arme verschränkt.
    »Süße«, flüsterte Jule und hauchte ihr versöhnlich ein Küsschen auf die Wange. »Dein Körper ist ne Wucht. Fantastisch!«
    »Aber wie machst du das, Jule? Joggst du? Schwimmst du oder …«
    »Ich spiele kein Tennis.«
    »Trotzdem bist du trainiert. Wieso?«
    »Ballett.«
    »Wie witzig.« Ewa knurrte. »Als ob gleich die Pfunde purzeln würden, bei so ein bisschen Gehopse an einer Stange.«
    »Wowhow, Fräulein. Das ist Sport.«
    »Was? Ein Tütü zu bügeln?«
    »Bogacz! Ballett ist kein lockerer Limbo im Vollsuff, sondern Perfektion und Disziplin. Beim Tanzen muss du …«
    »Zeig.« Ewa nahm auf der Schaukel Platz und sah Jule erwartungsvoll an.
    »Wie jetzt?« Jule stutzte. »Ich soll vortanzen?«
    »Genau. Irgendwas.«
    Immer diese unpräzisen Regieanweisungen. Schulterzuckend öffnete Jule den Parka. Ihr Bundeswehrkostüm war Mist, keine Frage, und die Stiefel waren denkbar ungeeignet für einen spontanen Schwan, aber gut, der starb ja ohnehin im Stück. Also lockerte Jule ihre Glieder. Sie dehnte hier und dehnte dort, sammelte sich und legte los. Mit stolz erhobenem Kinn wirbelte sie um die Längsstangen des Klettergerüstes und tänzelte im Pirouetten-Modus zur Wippe. Adrenalin strömte durch ihren Körper. Jeder Muskel schien kraftvoll aufzubrechen wie ein Keimling aus dem Saatkorn. Ihre Fingerspitzen pulsierten und rauschgleich kehrten Erinnerungen zurück. Das helle Scheinwerferlicht, warm und kitzelnd auf ihrer Haut, als strahlte ihr die Sonne direkt ins Gesicht. Geschmeidig drehte sie sich weiter zur Rutsche, bog sich in Position, spreizte grazil die Arme und spürte Blicke. Faszinierte Blicke aus strahlenden Augen, verborgen im Dunkeln und lechzend nach jeder Geste, ehe sie sich auf Spitzen wendig zwischen zwei Wackeltieren hindurch zurückschraubte. Verbeugung. Banges Abwarten mit hämmerndem Herz, bis Applaus aufbrandete, Rufe zu ihr emporschallten, die prickelnde Spannung von ihr abfiel und ihr Glück vollkommen wurde.
    Joar, Mist, hier klatschte niemand. Jule blinzelte. Wie versteinert saß ihre Süße auf der Schaukel. Kurzer Check: geöffneter Mund, feuerrote Wangen und ein feuchtes Glitzern in den Knopfaugen, fein, die Balletteinlage hatte zweifellos überzeugt. So hauchte Jule ihr ein Bussi aufs Haar und machte den Schaukelschubser. Ewa ließ es geschehen, pendelte schweigend hin und her, bis sie mit ihren Füßen stoppte. Am Parkabund zog sie Jule zu sich ins Blickfeld. Eine Falte lag auf Ewas Stirn.
    »Wann gehst du wieder auf die Bühne?«
    »Hey, mach dir keinen Kopf«, sagte Jule und nahm ihre Hand. »Ich gehe nirgendwohin. Unsere Verträge laufen doch bis Sommer und danach wird Staffel zwei gedreht, bestimmt. Und dann …«
    »Vergiss es«, fiel Ewa ihr ins Wort.
    »Warum? Liebes Leben ist nicht schlechter als andere Soaps. Wieso sollten sie den Schrott absetzen? Es läuft doch. Du machst als Viola Musikkarriere und ich bekomme HIV und mich rettet garantiert irgendein supergeheimer Antivirus, der …«
    »Sag mal, Jule, stellst du dich absichtlich blöd?«
    Shit. Schweigend fixierte Jule ihre Stiefelspitzen. Die Unterhaltung driftete in eine unschöne Richtung und schon wieder tat sich dünnes Eis unter ihren Füßen auf. Verdammt. Wie bekam sie ganz subtil den Bogen, um nicht … Da schob Ewa sie weich und doch bestimmt zum Schaukelpferdchen, nahm cowboymäßig Platz und dirigierte Jule rittlings auf ihren Schoß. So galoppierte das Paar mit wehendem Haar vereint in den malerischen Sonnenuntergang und lebte glücklich, bis ans Ende ihrer – ach, verdammt, falscher Text. Unpoetisch wackelten sie rum auf dem mit Graffiti besprühten Spielplatztier, schweigend, und Jule fühlte sich mit jeder Faser bereit zum Sprung. Ewa nahm ihr Gesicht zwischen die Hände und zwang sie so, ihr direkt in die Augen zu sehen. Ein bohrender Blick, und in Jule kribbelte es los.
    »Was willst du denn

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