Violett ist nicht das Ende
habe natürlich ich geschrieben. Ganz besonders liebevoll für die Schwiegermutti. Und wer hat das Lob von der Kratzbürste bekommen? Er! Dabei hat er noch nie im Leben ein Geschenk für sie ausgesucht. Nicht zu Weihnachten, nicht zum Geburtstag. Ich bin stundenlang durch die Stadt geirrt und habe mir einen Kopf gemacht – immer ich. Ausgerechnet für diese Kotzkuh. Und glaubst du, der Supersohn hätte das auch nur ein einziges verdammtes Mal erwähnt? Nein. Da hat er hübsch die Fresse gehalten und sich gedrückt, wie immer, wenn es um irgendwas Wichtiges ging in unserer Beziehung und er … äh …« Jule verstummte.
»Gecheckt?«
»Ich … also …« Jule fasste sich an den Kopf. »Ich … ich denke … schon, irgendwie.«
»Gut.« Ein Lächeln legte sich in Ewas Mundwinkel. »Das machen wir so lange, bis wir den von eins neunzig auf Erbsengröße gedampft haben, und spätestens dann spülen wir den das Klo runter, den Teekocher. Alter, was ein Weichei. Hatte er Geschwister?«
»Verwöhntes Einzelkind.«
»Hab ich mir gedacht. Und jetzt wünsche ich mir einen Kuss. Einen Original-Jule-Kuss.«
Knutschen. Zu Befehl. Sonderbar erleichtert schloss Jule ihre Süße in die Arme. Ex war Ex. Hier war Gegenwart und Zukunft. Noch nie zuvor hatte sie die Dinge so klar gesehen wie in diesem Moment. Mit Hingabe küsste sie Ewa in zauberhafte Sphären, also konkret gegen die Rückfront eines parkenden Smarts. Egal. Nach einer herrlich verschmusten Ewigkeit ging es Händchenhaltend weiter. Verstohlen blickte sie zu Ewa, und wurde grinsend dabei ertappt. Ewa seufzte, Jule schnurrte, und rums, schon klebten sie wieder aneinander. Wuschelnd und wuschig, an die nächstbeste Litfaßsäule gelehnt. Hach, egal, hach.
»Lule«, nuschelte Ewa, bemüht, den Kuss auf gar keinen Fall zu unterbrechen. »Scho … kommen … wir … nie … tschum … Hafen.«
»Mir … komplett … egal«, sprachknutschte Jule zurück, und sie meinte es ernst. Sie war beschäftigt, knabberte hier, strubbelte da, bis etwas sie beiseite riss, an der Hand nach rechts. »Wowhow, stopp!«, brüllte sie noch. Leider nicht auf Polnisch.
Unbeeindruckt nahm der Kleine an der Leine Fahrt auf. Eine stolpernde Schweitzer im Schlepptau kümmerte ihn nicht, die getigerte Mieze vor seiner Schnauze dafür umso mehr. Er passierte eine Reihe Mülltonnen. Jule logischerweise auch und riss donnernd eine zu Boden. Zwischen dichten Büschen schlängelte sich der Kleine in einen Hinterhof, Jule ebenfalls und hörte ratschende Geräusche, als Dornen in Piotrs Parka Striemen rissen. Um ein Haar hätte sie das Gleichgewicht verloren, fluchte und – stutzte. Kein Ziehen, kein Zerren mehr. Tja. Der Minitiger war Wuffi durch die Lappen gegangen, also pflanzte er sich ins Gras und kaute genüsslich Reste aus einer herumliegenden McDonald-Tüte. Total friedlich.
»Alles okay?« Keuchend tauchte Ewa hinter ihr auf.
Jule nickte und richtete ihre Frisur. »Scheiße, ey, der hört ja null. Darf ich dem Deutsch beibringen?«
»Alles was du willst.«
»Schön. Und … oh. Guck mal.« Erst jetzt nahm Jule das Setting wahr, an dem sie gelandet waren.
»Boah, geil!«, lautete die euphorische Antwort von Ewa.
Mir schwant Schlimmes . »Süße, das wäre … total gestört.«
»Na und? Uns kennt hier niemand, uns sieht hier niemand, uns – ach, komm mit.« Mit einem Glucksen griff Ewa ihre Hand und zog sie mit sich, direkter Kurs auf die Wippe des Hinterhofspielplatzes.
Augen zu und durch. Warum nicht mal das Kind rauslassen und albern sein? Jule ließ sich von Ewas infantiler Freude mitreißen, puzzelte sich ans linke Ende, Ewa ans rechte.
»Bei drei, Süße«, gab Jule das Kommando. »Wir … huch.«
Zu spät. Schon thronte sie in der Luft. Ewa thronte gewissermaßen auch, jedoch sehr solide geerdet.
»Ich fasse es nicht!« Ewa schnaubte. »Wie viel wiegst du?«
Jule biss sich auf die Unterlippe. »Ich … äh … also, Mensch, kannst du mich nicht einfach wieder runterlassen?«
»Gestehe. Sofort!«
»Sonst was? Lässt du mich hier oben verhungern oder wie?«
»Dürfte ja nicht allzu lange dauern.«
»Bogacz!«
»Na«, feixte Ewa. »Kriegst du Schiss?«
»Pfff. Wenn du weiter zickst, spring ich eben.«
»Wohin?« Ewa reckte den Hals. »In die Dreckpfütze links? Dann bringt dich Alicja um. Piotr liebt seinen Parka.«
»Der hat ohnehin schon Schrammen und daran bist alleine du schuld, schließlich hast du unseren Hund einsprachig verzogen. Also lass die Kinderkacke und
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