Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
Vom Netzwerk:
hören?«, nahm Jule die Flucht nach vorne.
    »Wovor läufst du weg?«
    »Tu ich doch gar nicht!«
    »Wir beide wissen, wie bescheuert deine Babett-Rolle ist, also eier nicht rum. Bei Liebes Leben bist du komplett unterfordert, denn du kannst mehr, so viel mehr, du …«
    »Pfff.« Jule winkte ab.
    »So wie du gerade getanzt hast, wie du singen kannst und …«
    »Pfff. Das lernst du in der Ausbildung.«
    »Aber ich hab dich gegoogelt. Bisher hast du nur Hauptrollen gespielt bei großen Produktionen, die …«
    »Na und?«
    »Was, na und?«
    »War Glück, mehr nicht.«
    »Ach Blödsinn. Erzähl keinen Stuss. Du …«
    »Ich scheiß auf die Bühne, Bogacz!« Jule sprang auf und versetzte das Pferdchen ordentlich in Schwingung, Ewa gleich mit. Doch die parierte, und manövrierte sie zurück in Ausgangsposition. Sitz, Platz, Ruhe bewahren. Gar nicht so leicht. »Das ist mein voller Ernst, Ewa. Aus, Äpfel, Amen. Bald bin ich sowieso Alteisen, und ob bis dahin noch irgendwo eine Schweitzer jeden Abend trällernd rumspringt oder nicht, ganz ehrlich, wen kümmert es? Wen?«
    »Wieso bist du nicht am Broadway?«
    »Bitte?« Jule verrutschte die Tonlage. »Ach so, du meinst zum Mäntel aufhängen, als heiße Mieze an der Garderobe, die …«
    »Jule!« Anpfiff. »Boar, kannst du bitte einmal das Theater lassen, verdammt noch mal?«
    Rums. Jule zog den Kopf ein. Das hatte gesessen.
    Ewa schnaufte. »Gut. Jetzt mal Klartext. Noch nie ist mir jemand quergekommen, der so viel Talent hat wie du. Und Jule, ey, du warst beruflich auf der Überholspur. Diplom mit Auszeichnung, gleich ein festes Engagement in Wien, Hauptrolle, und das bei mehreren Stücken. Zack, nächstes Level, ab nach London, West End, und jetzt? Soap. Erklär es mir. Bitte …«
    »Ich wusste nicht mehr wohin mit mir, Ewa.« Ganz leise kam es Jule über die Lippen, und ihr Magen spielte Fahrstuhl, sackte tiefer, und sie fiel mit, kein Boden in Sicht. Sanft streichelte Ewa ihr eine Strähne aus der Stirn. »Gott, ich hab keine Ahnung, wie ich dir das erklären soll.«
    »Schritt für Schritt«, kam von Ewa mit ruhiger Stimme. »Hast du je versucht, eine Rolle am Broadway zu kriegen?«
    Kopfschütteln.
    »Warum? Denkst du, dein Talent reicht nicht?«
    Schulterzucken.
    »Jule, was ist es dann?«
    »Was soll ich da, Ewa? Ich meine … New York. Ich kenn da niemanden und wäre allein in dieser Stadt, die …«
    »Lampe an.« Mit einem kurzen Stöhnen klatschte sich Ewa an die Stirn. »Ich glaub, ich check’s endlich.«
    »Äh … was?«
    Ewas Miene wurde ernst. »Jahrelang war dein Freund da. Und auf einmal hingst du in der Luft, wie so ein frischgeschlüpfter Piepmatz. Tschiep-tschiep, bisher lief alles super, die ersten Flüge klappten, aber so ganz allein, wie weiter? Über den großen Teich? Ne, zu viel Schiss, Angst vor einer Bruchlandung und somit lieber wieder zurück ins Nest. Nur war da leider kein Nest mehr, das …«
    »Ich hab gespielt, Ewa, wie eine Irre. Stück an Stück, Auftritt an Auftritt. Als Krönung eine Tournee, ey, ich war fast jeden Tag woanders und selbst in den spielfreien Zeiten habe ich mir noch Auftritte reingedrückt, damit …«
    »Als Ablenkung. Weil du in keine Wohnung kommen wolltest, in der niemand auf dich wartet. Richtig?«
    Jule schielte zur Schaukel. »Dabei habe ich es genossen, Ewa total. Jedes Engagement, dieses Kribbeln, die Momente auf der Bühne, bis …« Sie brach ab.
    »Bis?«
    »Mein Rücken.« Jule konnte selbst hören, wie matt sie bei dem Thema klang. »Der ist … na ja, nun meine Achillesferse, wenn du so willst. Hab ihn mir ziemlich verrenkt auf der Tournee. Tja. War wohl einfach alles zu viel.«
    »Was bedeutet das, Jule?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Laut Arzt bin ich wieder fit, aber …«
    »Bist du deshalb zum Fernsehen? Quasi zur Sicherheit, als zweites Standbein, sollte Bühne gesundheitlich nicht mehr gehen?«
    Wieder zuckte Jule mit den Schultern und fuhr sich dabei durchs Haar.
    »Erklär’s mir.«
    »Nach meiner Ausbildung … Ewa, jeder hat mich hochgejubelt. Fans, Presse, alle. Und dieses Niveau zu halten, das … Die Luft ist so verdammt dünn da oben, und die Meute wartet nur drauf, dass du einknickst. Ich hab’s doch gemerkt. Kaum hatte mich der Arzt paar Wochen aus dem Verkehr gezogen, haben mich die ersten ach so treuen Fans mit Scheiße zugepflastert. Böööh, Karte gekauft wegen der Schweitzer und dann spielt sie noch nicht mal, die Diva, arrogante Schnepfe, vollkommen überbewertet

Weitere Kostenlose Bücher