Violett ist nicht das Ende
und talentfrei und …«
»Wie bitte?« Ewa klang entsetzt. »Das hat jemand gesagt?«
Nuschelndes Schneewittchen ohne Tittchen, besten Dank. »Eine Schweitzer kannst du lieben oder hassen, beides legal. Und du kannst sie auch locker von Besetzungslisten streichen. Die nächste Garde steht doch schon in den Startlöchern, unverbraucht, frisch von der Akademie. Jeder will die Hauptrolle und ich, ich weiß nicht, ob ich das noch lange packe, so, mit Rücken. Verstehst du? Und wenn die mich irgendwann nicht mehr besetzen und ich dann nichts habe, was …«
»Aber warum Soap und nichts Vernünftiges?«
Jule lachte auf. »Glaubst du, mir bietet gleich jemand eine Rolle als Tatort-Kommissarin? Mir fehlt Kameraerfahrung. Das ist eine andere Welt für mich und ich starte wieder bei Null und …«
»Das ist doch dämlich, Jule.«
»Äh … was jetzt?«
Ewas Wangen glühten. »Jemand wie du braucht Applaus und du verdienst Applaus – Punkt. Du gehörst auf die Bühne, denn du hast dich jahrelang durchgebissen, weil du gut bist, verdammt gut und ehrgeizig. Du hast dir da was aufgebaut, weil dein Herz dranhängt. Jule, ich hab das Leuchten in deinen Augen doch gerade gesehen beim Tanzen. Das wirft man nicht so einfach weg.«
»Aber …«
»Oder hat dir ein Arzt die Auftritte verboten?«
»Nein, aber …«
»Siehst du? Also stellst du dich gefälligst auf die Bretter dieser Welt, so lange es geht, und genießt es. Und wenn du irgendwann die Schnauze voll hast oder es gesundheitlich nicht mehr packst, machst du eben was anderes. Vielleicht wirklich Film und so. Aber du änderst nicht schon vorher deine Träume und deinen Kurs, bloß weil du vor irgendwas Schiss hast. Hörst du?«
»Ewa, aber …« Jule schluckte schwer. »Was wird dann … mit uns? Wenn du in Berlin drehst und ich … in einer anderen Stadt …«
»Na und? Wo ist das Problem?«
»Fernbeziehungen sind Mist.« Wieder blickte Jule zur Schaukel und drückte sich dabei näher an Ewa. »Kein Alltag mehr, kein Knutschen, kein Kuscheln jeden Morgen, sondern getrennte Betten, getrennte Wohnungen, getrennte Leben. Und jedes Treffen wird ein Tropfen auf den heißen Stein, immer zu kurz, nie genug, und ständig diese Sehnsucht und dieser Stich ins Herz, wenn man in den Flieger steigt und der andere bleibt da bedröppelt stehen am Check-in. An manchen Tagen willst du schon gar nicht mehr telefonieren, weil es dich zerreißt, nur eine Stimme zu hören, obwohl man sich sehen will, sich spüren will, jetzt sofort, ohne diese beschissenen Kilometer dazwischen. Willst du das?«
»Falsche Frage, Jule.«
»Ne, darum geht es doch. Willst du das, Ewa? Ich nicht. Ich kenne diese Scheiße, verflucht noch mal.«
»Ich auch.«
»Fräulein, ich rede von einer Beziehung. Nicht von lockeren Affären, die man unverbindlich in irgendwelchen Hotels vögelt.«
»Und ich bin nicht dein Ex, der eine andere flachlegt, nur weil du ihm nicht vor Ort einen Braten hinterherträgst, Jule.« Ewa atmete kurz durch und nahm ihre Hand. »Hör mir zu. Ja, es wird hart. Aber weißt du was? Lieber reise ich durch’s halbe Land für ein paar kostbare Stunden mit dir, bevor du neben mir liegst und nicht glücklich bist, weil du dir irgendeine Nullachtfünfzehn-Kacke ans Bein gebunden hast, die dir und deinem Talent nicht gerecht wird. Du bist Künstlerin, ich bin Künstlerin. Du musst dich austoben, ich muss mich austoben, sonst kleben wir da mit lauter Kompromissen aneinander und gehen bei aller Liebe trotzdem ein wie Sonnenblumen bei Frost.«
»Aber …«
»Jule, ich trag das mit. Ich trag das mit, okay?«
»Auch wenn …«
»Richtig. Auch wenn egal-was. Du suchst dir deine beruflichen Spielwiesen, auf die du Bock hast, egal ob große Rolle oder kleine Rolle. Du bist niemandem da draußen Rechenschaft schuldig. Es ist dein Leben, Jule. Es ist vollkommen latte, ob du in Berlin landest, am Broadway oder in Bielefeld, solange du dabei glücklich bist. Du entscheidest, und ich trag diese Entscheidungen mit. Ich trag sie mit. Sag es.«
»Ich … also, du … trägst sie mit?«
»Genau. Also krieg das in deinen Schweitzer-Schädel und mach endlich wieder deinen Rücken gerade und greif an mit Biss, statt dich zu verstecken.«
»Aber wenn ich wirklich irgendwo wieder eine Premiere …«
»Dann sitze ich mit meinem Jule-Banner in der ersten Reihe, brülle mir die Seele aus dem Leib, klatsche wie blöde vor Stolz und filme alles mit, logisch.«
»Im Theater ist Filmen illegal.«
»Egal.
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