Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
Vom Netzwerk:
Meter lang, Wendewinkel Pi mal Daumen 80 Grad, 18 PS-Motor, das Großsegel ist weiß und groß und …«
    »Trinkt ihr einen Tee mit? Ich setze uns mal flott einen auf.« Mit Wasserkocher im Anschlag ging Gunni zum kleinen Becken in der Ecke, griff zum Hahn und …
    Kein Wasser aufdrehen! Wie vom Großfrachter touchiert sprang Jule auf, die Hände tief über den gerafften Parka in den Hosentaschen vergraben, und tänzelte auf der Stelle. Ablenken, ablenken, an irgendwas anderes denken, Buddelschiffe zählen, irgendwas, Himmelarschundzwirn, war das hart. Alarmiert stand nun auch Ewa in der Senkrechten, schob sich vor Jule als Sichtschutz und startete die nächste Säuselattacke.
    »Du Gunni, wir würden wahnsinnig gerne bleiben, aber …«
    »Warst du auf dem letzten Hafengeburtstag, Zuckerstückchen?«
    »Äh … nein?«
    »Haste was verpasst. Da geht immer ordentlich die Post ab bei uns strammen Matrosen. Weißte Bescheid, nech?«
    »Öhm, sicher. Ihr seid ja auch immer … äh, sehr stramm und … öhm, frech, äh – fesch, meine ich, so, ihr Matrosen.«
    Super, Bogacz. Kipp noch Benzin auf die Glut.
    »Darauf stehst du, was?«
    »Ich … äh …«
    »Tut sie nicht!«
    »Jule!«
    »Wie auch immer. Kommt rüber, ich zeig euch die Fotos.« Gunni nahm drei dicke Einsteckalben aus einer Schreibtischschublade. »Die vom Schlepper-Ballett sind der Knaller.«
    Alter, ich schepper dir gleich Ballett, doppelter Kinnhaken in dritter Position. Jule hatte schon die morgige BILD-Schlagzeile vor Augen: ›Redseliger Hafenmeister von klogeiler Furie gekillt.‹ Tatwaffe war Wasserkocher, Buddelschiff oder Fotoalbum – egal, vermutlich alles zusammen, gleichzeitig, mit vollem Schmiss. Ewa nahm treudoof ihren Stuhl, doch Jule trampelte ihr verzweifelt auf die Zehen. Frau B. jaulte auf. Und der Kleine jaulte erfreut eine Runde mit, welch schönes Duett mit Frauchen.
    Gunni kratzte sich am Kopf. »Kommt ihr Hübschen klar? Wartet, ich gieße euch Tee ein und …«
    Nein! Wie von einer Ohnmacht dahingerafft, sank Jule in sich zusammen und halb auf Ewa, die sie gerade eben noch so auffing.
    »Oh mein Gott – Jule!«, brüllte sie. Nach Kräften stützte sie Jule, und auch Gunni eilte herbei, um die Schweitzer’sche Stirn zu fühlen.
    »Hinlegen«, stammelte Jule.
    »Ganz ruhig, ich hab dich. Gunni, bitte sperr uns die Yacht auf, damit sie sich dort ein bisschen …«
    »Natürlich. Sofort.«
    Der Hafenmeister kam in die Gänge, rupfte einen Schlüssel vom Haken an der Wand, griff sich zum Obstkorb gleich noch alle Tüten und hastete ins Freie, über die Stege zu einer schneeweißen Segelyacht. Ewa und Jule folgten, Arm in Arm, dennoch in beachtlichem Tempo, das Jule vorlegte. Erst landeten alle Einkäufe an Deck, dann der Kleine, danach Frau B., und schließlich wurde auch Jule vom Seebär an Bord gehoben.
    Gunni kratzte seinen Schnauzer. »Soll ich einen Arzt …«
    »Mi-Mi-Migrä …«, nuschelte Jule und sank an Ewas Schulter.
    »Ernsthaft, Jule?« In Ewas Stimme schwang Skepsis. »Okay, dann braucht sie absolute Ruhe, Gunni. Kein Arzt, keine Störung. Jakub hat Tabletten, das weiß ich. Die trichter ich ihr ein, zieh die Vorhänge zu, bis der Schub vorbei ist.«
    »Nu los«, drängelte Gunni auf einmal wie ausgewechselt. »Das kenn ich von meiner Helga. Migräne ist Mist. Da geht gar nichts mehr.«
    Also schnell eine erhobene Hand zum Abschied. Ewa kletterte durch die Luke ins Innere, die Stufen der steilen Holztreppe hinab und breitete die Arme aus, um eine gepeinigte Jule stützend in Empfang zu nehmen. Jule litt und wie. Bis sie außer Sicht war, wuselte dann wie von der Tarantel gepiekt hinab und schubste Ewa ruppig aus der Bahn.
    »Klo!?«, brüllte sie.
    »Heißt das, dir fehlt gar nichts?«
    »Klo! Klo! Klo! Wo?«
    »Links – di-diese Tür.«
    Tja, mehr gab es nicht zu sagen. Jule sprintete aufs stille Örtchen und hätte heulen können vor Glück. Tat sie auch, irgendwie, so angenagt war ihr Nervenkostüm nach diesem schier endlosen Rumgeeiere. Sie schniefte und dankte innerlich allen Göttern für dieses Geschenk des Himmels, für die wahrlich bezauberndste Toilette von Welt. Wenn auch sicherlich eine der kleinsten auf Erden, mal ganz objektiv betrachtet. Hatte eher das Größenniveau einer Zugtoilette. Kaum erleichtert und wieder halbwegs Herrin ihrer Sinne, blickte sich Jule um. Neben dem Klo gab es ein Waschbecken mit Mini-Spiegel drüber und Kommode drunter und wer da stand, war quasi unter der Dusche, denn der

Weitere Kostenlose Bücher