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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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sie dabei zu verbiegen. Jemand, der sie gewähren ließ, sogar mit Schwächen und mit den Dellen der Vergangenheit, mit Ex, mit Krümel. Ihrem Krümel … Jemand, der sie sah, wie sie war, egal ob mit Theater oder ungeschminkt, gänzlich ohne Fassade. Jemand, der zu ihr stand, selbst wenn es schwierig wurde, und dies auch zukünftig wollte. Mit Kindern oder Karriere, berühmt oder nicht berühmt, mit Häuschen oder Hin-und-Her-Gereise, was immer letztendlich kommen mochte.
    Ewa, einfach nur Ewa …
    Nicht vollkommen. Mit Kratzern und Patzern in der Biografie, mit Fehlern und Macken. Mal temperamentvolles Trampeltier, mal verrückter Wirbelwind, mal sanfter Schmuseteddy, mal furchtloser Kampfzwerg. Egal, ob verpackt in Uniform, sexy Corsage oder im Shirt samt Krümelmonster. Egal, ob in einer klapprigen Schrottmühle, im Autoscooter oder in einer stilvollen Luxus-Limo. Ob im Kino oder auf dem Küchentisch, im Striplokal oder im Schaumbad. Ewa kämpfte. Mit dusseligen Polizisten, lästigen Oliven und sogar mit ihren allerengsten Freunden und ihrer Familie. Für Jule. Für ihre gemeinsame Zukunft.
    Ewa …
    Immer voll Leidenschaft, immer ehrlich und offen. Unverfälscht. Immer sie. Jemand, der so viel zu geben hatte und gab, der nichts erwartete, nicht einforderte. Nichts Unmögliches, nie. Und der Jule dennoch alles schenken wollte, das spürte sie. Keine Lust-und-Laune-Nummer, keine Beziehung mit einem Aber, kein Zuhause mit Hintertür, sondern einen Platz zum Wohlfühlen. Einen Platz zum Bleiben.
    Ewa.
    Merkwürdig. War es nicht schon längst Morgen? Sah so aus, als ginge da drüben eben erst die Sonne auf. Jule blinzelte, verzaubert vom Anblick der aufkeimenden Morgenröte und dem schimmernden Horizont über Hamburgs Hafen. Erste Strahlen tauchten Ewas friedliches Gesicht in warmen Glanz. Welch überwältigender Moment, welch Kitsch, welch …
    »Auaha!« Ewa fuhr hoch. »Mann, ey. Musste mir so die Hand zerquetschen, Jule? Das tat voll weh, du hast … hey, hast du … äh … weinst du etwa?«
    »Quatsch.« Jule fuhr sich über die Wangen, die – ups, feucht waren. »Hab nur was im Auge.« Und im Leben und im Herz und dieses was heißt … Ewa. Ach herrje, jetzt lief auch noch die Nase. Hektisch wühlte Jule in den Jackentaschen. Mist. War ja Piotrs Parka, nicht ihrer.
    Da hielt Ewa ihr grinsend ein Päckchen Taschentücher hin. »Alicja hat immer welche in ihrem Anorak.«
    »Danke.« Jule putzte sich die Nase, zögerte, und warf das zerknautschte Tuch Michael-Jordan-like in Richtung Mülleimer. Seitenwind. Schade. Kein geglückter Dreier. Jule fixierte das gestrandete Taschentuch, als wollte sie es noch von Ferne mit bloßem Blick in die Tonne beamen. Sie spürte, wie Ewa sie von der Seite musterte.
    »Ist alles okay?«, fragte der süße Zwerg und strich zärtlich eine Haarsträhne aus Jules Stirn.
    Jule nickte nur, kurz und heftig, gab ihrem pochenden Herz einen Ruck und nahm das Gesicht ihrer Liebsten zwischen beide Hände.
    »Aber irgendwas … ist doch, Jule, du … humpf.« Ein Kuss, ganz sanft und innig, war manchmal einfach Antwort genug. Und auch Schweigen konnte so viel sagen, wenn man einträchtig kuschelnd auf die Elbe blickte, auf die bunten Schiffe, die im Morgenlicht friedlich auf den Wellen tanzten.
    Jule seufzte leise.
    »Woran … denkst du?«
    »An Schiffe.«
    »Oh. Willst du auf eins? Kein Problem, lässt sich machen.«
    Jule stöhnte auf. »Fräulein, bitte keine große Hafenrundfahrt. Eingekeilt zwischen dem Touri-Mob auf einer windigen Barkasse und dazu noch muffende Möwen über unseren Köpfen, die jeden Moment kacken kö…«
    »Wie viel Uhr haben wir?«
    Jule kramte ihr iPhone hervor. »Kurz vor acht. Warum?«
    »Perfekt. Wenn wir Glück haben, ist Gunni schon da. Eigentlich Gunther, der Hafenmeister vom Yachtclub.«
    »Aha. Also hast du einen Segelschein, Süße? Oder willst du uns ein Tretboot klau-äh-kapern?«
    »Quatsch. Ein Tretboot kannst du dir an der Alster borgen, aber doch nicht hier. Gesegelt wird nur im Sommer, wenn Jakub Urlaub hat. Trotzdem zeig ich dir das Boot, wenn du möchtest.«
    Jule hob die Arme. »Sorry, ich versteh Bahnhof.«
    »Jakub hat eine Segelyacht.«
    »Scherz jetzt, oder?«
    »Voll das geile Teil. Liegt da vorne. Überseebrücke, Stückchen weiter. Alicja hat einen Sonderdeal ausgehandelt. Normalerweise vermieten die im Club die Liegeplätze pro Tag. Aber Jakub darf …«
    »Ich dachte, so ein Luxuskahn ist unfassbar teuer.«
    Ewa zuckte die Schultern.

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