Violett ist nicht das Ende
da Kratzer auf die Kontrollnummer kommen, kann ich die …«
»Stör ich?«, sagte da eine dunkle Stimme aus dem Off.
Erschrocken fuhren beide herum.
»Gu-Gunni.« Ewa sprang auf und schnippte die Haarnadel hinter ihrem Rücken in die Elbe.
Jule sah empor. Da stand er also, der Gunther. Mit lichtem Haar, sonnengegerbter Haut und zerzaustem Lippenbärtchen. Der restliche Look entstammte einer Hafenkneipe, in der solche Gestalten vor ihrem siebten Holsten sitzen und singend eine Ziehharmonika niederquetschten. Ein typisches Nordlicht Marke Kutterkäptn, im klassischen Fischerhemd samt rotem Halstuch. Groß, kräftig, rundlich und rundum zum Knuddeln.
Fräulein, so einer will nicht baggern, sondern adoptieren.
Gunni kratzte seinen Schnauzer. »Wolltet ihr gerade meine Tür aufbrechen?«
»Wir?« Ewa gab sich schockiert. »Warum sollten wir? Und überhaupt – womit denn? Mit dieser … äh …« Sie griff in eine Tüte. »Mit dieser Cabanossi hier? Harharhar, der Witz war gut, Gunni. Eine Wurst als Brecheisen, die … zostaw!« Zu spät. Bei Würstchen kannte der Kleine offenbar keine Gnade. Ein gezielter Sprung und haps, schon war das Ding in Ewas Hand Geschichte. Aber statt einer Strafpredigt verdiente der Kleine dieses Mal einen Zusatzknochen. Seine Showeinlage lockerte die verhängnisvolle Situation und Gunni schloss Ewa voll Wiedersehensfreude in die Arme. Sehr innig. Mit tiefroter Rübe klebte Ewa an seiner Brust.
»Ich-ich ha-haben echt … ni-nichts ge-gemacht.«
Gunni lachte. »Weiß ich. Du klaust uns Männern nur das Herz.«
»Ni-nicht absichtlich, nein.«
»Hast du Fieber?«
»Wieso? Wegen der roten Ohren? Quatsch, die sind Standard.«
»Du siehst nämlich so verdammt heiß aus, Zuckerperle«, raunte Gunni und legte seine Hand auf Ewas Taille, äußerst tief.
Okay, der will nicht adoptieren, sondern eine Tracht Prügel.
»A-ach, tu-tu ich da-das?« Ewa schluckte.
»Also mir wird warm bei dir, Zuckerhase, richtig warm.«
»Und mir akut schlecht.« Es wurde Zeit, dass Jule auch mal was einwarf.
»Jule!« Ewa befreite sich aus der Umarmung.
Mit interessiertem Blick musterte Gunni Jule. »Willst du mich dem reizenden Sternstäubchen nicht vorstellen, Zuckermäuschen?«
»Gunni, das ist Jule, meine … äh … Jule, das ist Gunther.«
»Moin.« Erfreut nahm er ihre Hand.
»Grrr-grüß Gott«, konterte sie finster.
»Sehe ihn selten. Du kommst wohl vom Weißwurstäquator, wie?« Gunni strich mit seinem Daumen über Jules Handrücken. »Also wenn da so rosige Kirschblüten wie du wachsen, dann-argx, ho-holla, ordentlicher Händedruck, ju-junge Dame.«
Richtig, du Balzbolzen. Denn mit Bienchen auf Blümchen fangen wir gar nicht erst an, grrr.
Gunni massierte seine gequetschte Pranke, Jule lächelte voll vorgetäuschter Unschuld und Ewa schritt deeskalierend ein.
»Deshalb sind wir hier, Gunni«, sagte sie. »Jule kommt aus Bayern und hat noch niemals je in ihrem Leben ein echtes Schiff aus der Nähe gesehen. Darum wollte ich ihr Jakubs Yacht zeigen.«
»Ehrlich?«, fragte Gunther. »Noch nie auf dem Wasser gewesen?«
»Äh … ne?«, log Jule artig mit und blickte kuhäugig wie Vroni von der Alm.
»Dann rein in die gute Stube. Jede Landratte bekommt von mir eine Einführung«, verkündete Gunni und sperrte sein Büro auf.
Was dann ablief, war Folter.
Statt eines Klos gab es in diesem Büro Kitsch, schlimmer als in jedem Souvenir-Shop. An den Wänden pappten Poster von Segelbooten nahtlos aneinander, dazwischen hingen das Hamburg-Wappen, Urkunden, eine Schiffsglocke, Kapitänsmütze, ein angerosteter Anker, kunstvoll verschlungene Taue und und und. Als Krönung thronten hinter dem Papierbeladenen Schreibtisch eine Vitrine, vollgestopft mit Buddelschiffen in jeglicher Form und Größe. Wie schön. Wenn man drauf stand und nicht musste. Schweitzer, frag doch einfach nach einer Toilette. – Spinnst du? Ich lass meine Süße nicht allein mit einem geilen Gunther.
Gunni rückte zwei Klappstühle zurecht und gab erst Ruhe, bis die beiden Damen Platz genommen hatten und sich ihre Einkäufe hundesicher auf dem Tisch stapelten. Jule schlug verkrampft die Beine übereinander und rammte bei der nächstbesten Gelegenheit ihren Ellbogen in Ewas Rippen. Als Antwort kam erst ein Uff, dann zum Glück Verständnis für den Ernst der Lage.
»Gunni, das ist echt total lieb von dir, dass du uns was über Schiffe erzählen willst. Aber mit Jakubs Yacht kenne ich mich aus. Bavaria Cruiser 36, rund elf
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