Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder

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Essteller herumlaufen kann. Verstehst du das?«
    »Nein, gnädige Frau«, sagte der immer noch unsichtbare Martor.
    »Komm herein!« Der Junge lugte um den Türrahmen. Irgendwo draußen suchten sich mehrere Flieger gegenseitig im Fluchen zu übertreffen. »Und mach bitte die Tür zu!«, fuhr der Waffenmeister fort. Hayden trat beiseite, damit Martor die Anweisung ausführen konnte, und dabei kam er Mahallan so nahe, dass er ihren Schweiß riechen konnte.

    Sie hatte jedoch nur Augen für Martor. »Glaubst du, dass diese Welt nach allen Seiten endlos weitergeht?«
    »Ja, gnädige Frau«, antwortete Martor ohne jede Ironie. »Rush ist vor zwei Generationen aus der Unendlichkeit gekommen, und wir haben die Länder hier angegriffen. Wenn wir uns durch alle hindurchgekämpft haben, kehren wir auf der anderen Seite in die Unendlichkeit zurück.«
    »Ich sehe schon, wir haben einiges an Arbeit vor uns«, sagte der Waffenmeister mit einem belustigten Blick zu Hayden. »Junger Mann, weißt du, was ein Ballon ist?«
    »Ein Sack zur Aufbewahrung von Gas«, antwortete Martor prompt.
    »Gut. Also, Virga, deine Welt, ist ein Ballon. Ein riesengroßer Ballon sogar, mit einem Durchmesser von mehr als neuntausend Kilometern, und sie kreist in den äußeren Regionen des Wega-Systems. Virga ist eine künstliche Welt. Von Menschen geschaffen.«
    »Das ist sehr komisch, gnädige Frau«, sagte Martor und lächelte steif.
    »Es ist die reine Wahrheit, junger Mann. Du weißt doch, dass eure Sonnen künstlich geschaffen sind? Warum dann nicht auch die übrige Welt?« Martor wirkte schon nicht mehr ganz so selbstsicher. »Nun, das Problem ist, dass selbst eine Fusionssonne, die Wärme und Licht in einem Umkreis von mehreren Hundert Kilometern spenden kann, bei einem Volumen dieser Größe nur ein winziger Funken ist. Besonders, wenn Wolken und andere Hindernisse das Licht so bereitwillig schlucken. Sechzig, achtzig, selbst hundert
Sonnen reichen nicht aus, um Virgas Inneres auszuleuchten. Deshalb gibt es große Lufträume, die weder Licht noch Wärme bekommen - Winterräume.«
    »Bis hierher kann ich folgen«, sagte Martor.
    »Aber diese Räume sind nicht unendlich. Sie enden auf die eine oder andere Weise an den mit Licht versorgten Randbezirken einer anderen Nation oder vor Candesce, wenn du geradewegs auf Virgas Zentrum zusteuerst. Oder sie enden an der Außenhülle der Welt, wo sich die Eisberge drängen und sich anhören, als knirschte ein Gott mit den Zähnen. Rush, euer Asteroid, kreist sehr langsam um die Mitte dieser Welt. Er wird gezogen von der fast nicht wahrnehmbaren Gravitation, die von der Luft erzeugt wird.«
    »Jetzt nehmen Sie mich auf den Arm«, sagte Martor.
    Mahallan seufzte dramatisch, konnte aber ein Lächeln nicht unterdrücken. »Verschwinde, du verbrauchst nur meine Luft. Und Sie«, wandte sie sich an Hayden, »bleiben hier und helfen mir beim Auspacken meiner Kisten.«

    Als die sieben Schiffe etwa fünfundzwanzig Kilometer weit in den Winter vorgedrungen waren, schalteten sie ihre Triebwerke ab. Ein paar Minuten schwebten sie antriebslos dahin, dann drehten sich die Triebwerke wieder, und sie glitten mit leisem Grollen in eine sternförmige Formation. Jedes Schiff schaute von einem zentralen Punkt aus nach außen. Von Bug zu Bug wurden Leinen gespannt, dann zogen sich die Kapitäne der sechs anderen Schiffe Hand über Hand zu einer offenen Luke in der Flanke der Krähe . Ringsum
verschluckte die Finsternis alles, woran man Entfernungen hätte abschätzen können.
    Als Admiral Fanning den Kartenraum der Krähe betrat, blieb er überrascht stehen. Die Kapitäne klebten am Fußboden, an den Wänden und an der Decke wie Wespen in einem Papiernest. In ihren schwarzen Uniformen sahen sie alle gleich aus, sie bewegten sich mit leisem Rascheln, und er spürte förmlich, wie ihr unterschwelliges Summen die Luft in Schwingungen versetzte.
    Er schüttelte den Eindruck ab und schwebte zu seinem Stuhl am Kartentisch. »Sie haben unsere Verschwiegenheit bisher mit sehr viel Geduld ertragen«, sagte er, während ein letzter Kapitän an ihm vorbeischlüpfte und mit einer Hand in eine an der Wand befestigte Samtschlinge fasste. Bei näherer Überlegung erschien ihm der Vergleich mit Wespen immer treffender. Die Männer waren gefährlich, zielstrebig - und zumeist so dumm wie Bohnenstroh. Genau richtig für die Aufgabe, die ihm vorschwebte.
    »Sie hatten sicher Ihre Vermutungen bezüglich unseres Flugziels. Und ich bin mir ebenso