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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Modellbox zeigte dichte Wolken bunter Pünktchen, eine Farbe für jeden Staat. Die Staatsgebiete waren nicht scharf getrennt und drängten sich, vergleichbar den inneren Organen eines Lichtwesens, dicht aneinander. »Alle großen Staaten Meridians steigen und sinken mit der Zelle Meridian Fünf Hadley, und die wird von der Wärme der Ersten Sonne angetrieben, welche sich aus dieser Sicht unterhalb des Tisches befindet. Der Asteroid Rush ist von den Luftströmungen weitgehend unbeeinflusst und bewegt sich nach wie vor mit etwas weniger als Schrittgeschwindigkeit auf seiner Bahn um Candesce. Wie Sie sehen können, wird Rush das Staatsgebiet von Aerie bald verlassen und
auf Maverys Territorium wandern. Aber danach …« Er drehte die Box und zeigte den Kapitänen eine dichte Masse von grün glitzernden Sternen, die fast die ganze Seite der Box ausfüllte. »Danach zwingt uns die Himmelsmechanik, durch die Falkenformation zu ziehen.«
    Drei Sonnen - Diamanten zwischen den Smaragden - blinkten in der breiten grünen Flut.
    »Hier nun befindet sich der Standort der geheimen Werft, die wir entdeckt haben.« Fanning legte einen Hebel im Sockel der Modellbox um. All die kleinen Lichtpünktchen wurden schwächer, dafür leuchtete tief im Innern des Falken-Territoriums ein einzelner Amethyst auf.
    Die Kapitäne redeten wild durcheinander. Flosk lachte laut auf. »Und wie sollen wir an diese Stelle kommen, ohne uns durch die ganze Falkenformation kämpfen zu müssen?«
    »Ganz einfach«, sagte Fanning. »Der Standort der Werft ist geheim, weil sie in einer dünn besiedelten Gegend liegt - einem Raumabschnitt mit zahlreichen Sargassen. Sie befindet sich genau am Endpunkt einer langen Winterzunge, die Hunderte von Kilometern weit ins Falkenterritorium hineinragt. Die Sargassen schirmen dieses Volumen ab, das in großen Teilen sauerstoffarm ist. Eine Wildnis. Wir werden die Meridian-Konstellation vollständig umrunden und uns durch diese Hintertür aus toter Luft einschleichen.«
    »… und die Werft plündern«, sagte jemand. Auf allen Seiten wurde genickt.
    »Ein kühner Plan«, gab Flosk widerwillig zu. »Aber dennoch selbstmörderisch. Andererseits sind wir nicht
allzu viele. Slipstream kann es sich leisten, unsere Schiffe zu verlieren.«
    »Ich habe nicht die Absicht, uns zu opfern«, sagte Fanning.
    »Aber wie sollen wir denn überleben und wieder nach Hause kommen?«
    »Das ist ein Teil des Plans, der vorläufig noch geheim bleiben muss«, sagte der Admiral. »Doch zunächst müssen wir deshalb, bevor wir den Winter durchfliegen, einen … Umweg machen.«

7
    Es mochte dreieinhalbtausend Kilometer entfernt gewesen sein, oder auch doppelt so viel. Man hatte es ihr nie mit Sicherheit sagen können. Aber irgendwo hatte es vor nicht allzu langer Zeit einen Krieg gegeben.
    Niemand wusste, ob der Schuss von einem einzelnen Heckenschützen gekommen war oder zu einer Salve gehörte, die jemand auf eine vieltausendköpfige, panische Menschenmenge abgefeuert hatte. Die Kugel war mit einer Geschwindigkeit von mehr als einem Kilometer pro Sekunde aus dem Lauf gekommen. Damit war sie schneller gewesen als ihr eigener Schall.
    Was dann geschehen war, war bekannt. Die Kugel hatte auf ihrem Flug Erfahrungen gesammelt, sie erinnerte sich an alles, was sie sah, und an den Weg, den sie zurücklegte. Und diese Erinnerungen kehrten hin und wieder als Träume und Alpträume zu Venera Fanning zurück. Sie mussten von der Kugel stammen, eine andere Quelle konnte sie sich nicht vorstellen. Sie selbst hätte sich den Aufmarsch von Schiffen mit fantastischen Bugformen, die sich gegenseitig rammten, in Brand gerieten und, ineinander verkeilt, in blutrote Wolken stürzten, niemals ausdenken können. Auch
die von Seilen zusammengehaltene Stadt im freien Fall, durch die die Kugel kurz nach dem Abschuss gerast war, konnte nicht ihrer Fantasie entsprungen sein. Diese Stadt bestand nicht aus rotierenden Habitaten. Ihre Türme und Häuser waren Knoten in einem scheinbar unendlichen Seil-Gitter, ihre Bürger hatten Knochen, die so zerbrechlich waren wie Glas, und kletterten mit langen Spinnenbeinen durch die Maschen. Die Kugel fegte mit Hunderten von Stundenkilometern durch die Stadt, so dass die Gesichter und die wehenden Fahnen verschwammen und nicht zu erkennen waren.
    Die Kugel jagte weiter, vorbei an Farmen und Wäldern, die grünen Galaxien gleich in der Luft hingen. An manchen Stellen leuchtete der ganze Himmel in den Farben des Frühlings, dort

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