Virga 01 - Planet der Sonnen
sich und beobachtete die Fechtkünste der verschiedenen Paare.
»Heda!« Er schaute nach unten. Schon wieder der Bootsmann. Er hatte ein rotes Gesicht, eine steife Uniform und dichtes, karottenrotes Haar. Wenn er wütend war, und das war er meistens, quollen ihm fast die Augen aus dem Kopf. Jetzt sagte er mit schmatzenden Lippen: »Das sind empfindliche Geräte. Komm da runter!«
Hayden stieß einen Seufzer aus und schnellte sich von den Kisten hinauf zum Eingang in der Nabe der Zentrifuge. Irgendwo musste es doch ein ruhiges Fleckchen geben.
Offenbar standen alle Schiffsluken offen, und durch die miteinander verbundenen Räume blies ein kalter Wind. Wohin Hayden auch schaute, überall wurden Kisten verschoben, wurde an Seilen gezogen oder irgendetwas gehämmert. Er entschied sich für eine offene Frachtluke, schwebte hinüber und hockte sich hinein. Nur wenige Zentimeter von ihm entfernt wehte eine steife Brise, aber hier war er halbwegs geschützt. Er kauerte sich zusammen und schaute hinaus.
Weit hinter ihnen glühte matt und rot die Sonne. Sie mussten sich dicht an der Grenze zum Winter befinden. Die Wolken, an denen sie vorbeiglitten, warfen trübe Schatten, die wie Finger nach vorne wiesen.
Ringsum hingen Schiffe wie kleine Punkte am Himmel. Er zählte sechs: Vielleicht befanden sich noch weitere auf der anderen Seite, aber den Hafen hatten mehrere Dutzend verlassen, und so viele waren es sicher nicht. Als die Krähe langsam um ihre eigene Achse rotierte, konnte er feststellen, dass die Gruppe tatsächlich nur aus sieben Schiffen bestand. Wo war der Rest der Flotte geblieben?
Sie streiften den Rand eines Wolkenberges, und plötzlich öffnete sich vor ihnen der Himmel, und alles war frei von Hindernissen. Hayden blinzelte. Er sah sich einem tiefen blauen Abgrund gegenüber - einer Finsternis, die nach unten und nach oben bis ins Unendliche reichte und sich auch nach beiden Seiten ins
Endlose erstreckte. Die Krähe steuerte geradewegs in den Winter hinein.
Er begriff immer noch nicht, wie er hierhergekommen war. Er hätte die Chance gehabt, Fanning zu töten, und hatte es nicht getan. Er war also ein Feigling - andererseits war hier zweifellos etwas Großes im Gang, das über einen Angriff auf Mavery hinausging. Womöglich war er der einzige Spion für Aerie auf diesen Schiffen. Letzte Nacht, als er sich ruhelos hin und her wälzte, war er immer wieder zu dem Schluss gekommen, es sei seine Pflicht, so viel wie möglich herauszufinden und nach Hause zu berichten.
»He, du da!« Er drehte sich um und sah sich einem rattengesichtigen Jungen in einer Fliegeruniform gegenüber, die ihm mehrere Nummern zu groß war. »Bist du Griffin?«, fragte er angriffslustig. Als Hayden nickte, deutete er feixend mit dem Daumen in Richtung der Zentrifuge. »Du sollst ins Schlafzimmer der Dame kommen.«
»Danke. Kannst mich Hayden nennen. Wie heißt du?«
»Martor«, sagte der andere misstrauisch. »Ich bin hier der Laufbursche.«
»Freut mich, Martor. Übrigens, wo kriegt man auf diesem Schiff etwas zu essen?«
Martor lachte. »Das hast du verpasst. Essen gab es um sechs. Du wärst aber sowieso nicht mit uns Männern bedient worden. Musst selbst zusehen, wie du an deine Mahlzeiten kommst.«
»Was kostet es, wenn du das für mich regelst?«
Martors Augenbrauen gingen in die Höhe. Er dachte nach. »Sechs. Nicht weniger.«
»Einverstanden.« Hayden marschierte los. Seit er ein Ziel hatte, war er nicht mehr ganz so unterwürfig.
Vor der Kapitänskabine wartete nicht Venera auf Hayden, sondern der farblose Carrier schwebte mit verschränkten Armen und penibel nach vorne ausgerichteten Zehen in der Luft und sah ihm finster entgegen. »Sie haben gewisse Pflichten«, sagte er ohne Einleitung.
»Ich … äh - ja?«
»Lady Fanning hat für uns ein Bike reserviert. Es ist kein Militärflieger, sondern eine Rennmaschine mit Beiwagen. Sie sollen sich damit vertraut machen. Drei Stunden pro Tag, nicht mehr, nicht weniger.«
»Zu Befehl, Sir!« Fliegen sollte er also? Nun ja, wenn sie meinten … »Was ist es für ein Modell?«
Carrier winkte lässig ab. »Keine Ahnung. Jedenfalls werden Sie in der übrigen Zeit dem neuen Waffenmeister zur Hand gehen. Es heißt ja«, bemerkte er in leicht gehässigem Ton, »Sie wären technisch begabt.«
»Nun ja, ich bastle gern an Bikes herum …«
»Gut. Sie sollen sich sofort beim Waffenmeister melden. Das ist achtern«, fügte Carrier hilfsbereit hinzu.
»Schön, aber was soll ich
Weitere Kostenlose Bücher