Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
zu viele Leute hätten ihn gesehen.«
»Da vorn sind ein paar leere Hütten«, teilte ihnen der Sheriff mit. »Dort hätte er parken können, ohne bemerkt zu werden. Aber was ist, wenn er hier eine Waffe deponiert und den Wagen an der Lodge gelassen hat? Die ist zu Fuß nur fünfzehn oder zwanzig Minuten entfernt. Auf einem Kiesweg wie diesem hört man ein Auto kommen und kann schnell im Wald verschwinden.«
»Ein fremder Mann wäre in der Lodge aufgefallen«, wandte Virgil ein. »Vielleicht war es eine Frau.«
»Eine Frau von der Lodge«, sagte Johnson, »hätte Erica McDill mit dem Boot hinausfahren sehen und sie sogar fragen können, wohin sie wollte, um ihr aufzulauern und sie zu erschießen.«
Virgil blickte in den Wald. »Wenn das stimmt, könnte die Waffe noch da drin sein. Es sei denn natürlich, die Frau hat sie heute Nacht geholt. Aber das wäre ein großes Risiko gewesen. Man hätte sie möglicherweise beobachtet und sich an sie erinnert.«
»Wir überprüfen jeden auf dieser Straße«, versprach der Sheriff.
Da näherte sich ein Wagen. Sie hörten den großen Van, bevor sie ihn sahen. »Die Spurensicherung«, sagte Virgil.
Das Team der Spurensicherung bestand aus vier Männern, angeführt von Ron Mapes, der das letzte Mal anlässlich des Mordes an einem indianischen Polizisten vom Red-Lake-Chippewa-Reservat mit Virgil zu tun gehabt hatte.
Virgil informierte sie über die Ereignisse und wies sie auf die Markierungsboje auf dem Wasser hin, worauf alle vier die Spur zum See begutachteten. »Wir werden Moskitonetze und Metalldetektoren brauchen«, erklärte Mapes.
»Könnten Sie sich mit Ihren Leuten die Spur gleich ansehen?«, fragte Virgil Mapes. »Im Red-Lake-Fall haben Sie mir den entscheidenden Hinweis gegeben.«
»Ja, kein Problem«, antwortete Mapes.
Die Männer, die vierzig Zentimeter hohe Gummistiefel, Kopfnetze und Baumwollhandschuhe zum Schutz gegen die Mücken trugen, suchten das Gelände nach Metall ab. Währenddessen folgten Virgil, der Sheriff und Johnson der Straße und überprüften die Feldwege, die weg vom See zu den gewöhnlich bis zum Herbst leer stehenden Jagdhütten führten.
Als sie zehn Minuten später zurückkamen, waren die Leute von der Spurensicherung an einer anderen Stelle beschäftigt. Der Sheriff rief bei der Avis-Agentur des Flughafens von Grand Rapids an und ließ einen Geländewagen für Virgil reservieren. Er hatte das Gespräch gerade beendet, als Mapes sich vorsichtig durchs Unterholz schob. Auf der Straße zog er das Moskitonetz vom Kopf und sagte: »Da drinnen wimmelt’s von Mücken; ungefähr nach hundert Metern wird der Boden feucht.«
»Und …?«
»Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass die Person, von der die Spuren stammen, der Mörder ist, aber fest steht, dass es sich um eine Frau handelt«, erklärte Mapes. »Möglicherweise ist sie öfter reingegangen, oder es waren mehrere, weil es jede Menge Spuren gibt.«
»Wahrscheinlich Erkundungsgänge«, mutmaßte Virgil.
»Bis jetzt haben wir drei partielle Abdrücke von einem Damenstiefel oder -schuh. Eher von einem Schuh, weil das Ding einen niedrigen Absatz hatte«, sagte Mapes. »Die genaue Größe lässt sich nicht bestimmen, aber wir haben den Abdruck von einem Logo mit einem großen M gefunden. Einer der Kollegen meint, das steht für ›Mephisto‹. Er sagt, Mephisto-Schuhe kosten um die dreihundert Dollar das Paar.«
»Was bedeutet, dass man sie selten sieht«, schloss Virgil.
»Ich weiß nicht mal, ob man die hier in der Gegend kriegt; wahrscheinlich nur in den Twin Cities«, sagte Mapes. »Aber man kann sie übers Internet bestellen.«
»Was noch?«, fragte Virgil.
»Nichts. Ich finde aber, das ist schon eine ganze Menge«, erwiderte Mapes.
»Nichts Genaueres über den Biberbau?«
»Da bin ich noch nicht gewesen. Ich geh jetzt erst hin.«
»Gute Arbeit, Ron«, sagte Virgil.
Der Sheriff sah Virgil an. »Muss jemand von der Lodge gewesen sein. Eine Frau mit Schuhen aus den Twin Cities.« Sanders entspannte sich ein wenig, weil es sich eher um eine städtische als um eine lokale Angelegenheit zu handeln schien. Das war ihm deutlich lieber.
»Reden wir mit Margery Stanhope«, schlug Virgil vor. »Und wenn mich dann einer Ihrer Leute nach Grand Rapids bringt, könnte Johnson losfahren.«
»Das übernehme ich«, erbot sich der Sheriff.
Auf dem Weg zur Lodge sagte Johnson: »Ich hab das Gefühl, dich im Stich zu lassen.«
»Tust du nicht. Du hast mit der Sache nichts zu
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