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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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davon, jedesmal.
    Sie hatte ihr Fahrrad in der halligen unterirdischen Parkgarage des Morrisey abgeschlossen und scharf gemacht und dann einen Dienstboten-Fahrstuhl zum
    Foyer genommen, wo die Wachleute ihr das Päckchen abzuschwatzen versuchten, aber da bissen sie auf Granit.
    Sie würde es einzig und allein diesem Mr. Garreau in 808 aushändigen, wie es da auf dem Aufkleber stand.
    Keinem anderen. Sie fuhren mit einem Scanner über den Strichcode auf ihrem Allied-Abzeichen, durchleuchteten das Päckchen, schickten sie durch einen Metalldetektor und gaben ihr ein Zeichen, in einen Fahrstuhl mit 63
    pinkfarbenen Spiegeln an den Wänden und
    tresorbronzenem Anstrich zu treten.
    Also war sie nach oben gefahren, bis zur 8, zu einem Flur, auf dem ihre Schritte so lautlos waren wie auf einem Waldboden in einem Traum. Dort fand sie Mr.
    Garreau, dessen Hemdsärmel weiß waren und dessen
    Krawatte die Farbe von frisch gegossenem Blei hatte. Er unterschrieb den Lieferschein, ohne ihr ins Gesicht zu schauen, und schlug ihr mit dem Päckchen in der Hand die Tür mit den drei Messingziffern vor der Nase zu. Sie überprüfte ihre Frisur in der spiegelblank polierten schrägen Null. Der Zopf am Hinterkopf stand gut hoch, aber sie war nicht sicher, daß sie vorne alles richtig hingekriegt hatte. Die Stacheln waren noch zu lang.
    Irgendwie fitzelig. Sie ging durch den Flur zurück, wobei das Metall an Skinners Jacke klingelte und ihre neuen, leichten Kampfstiefel in den frisch gesaugten Flur von der Farbe regennassen Terracottas einsanken.
    Aber als die Fahrstuhltüren aufgingen, fiel diese Japanerin heraus. Oder jedenfalls beinahe, denn
    Chevette faßte sie unter beide Arme und lehnte sie an den Türrahmen.
    »Wo Party?«
    »Was die Leute alles von einem wissen wollen«,
    sagte Chevette.
    »Neunter Stock. Große Party!«
    Die Augen des Mädchens bestanden nur aus
    Pupillen, und ihr Pony glänzte wie Plastik.
64
    So kam es, daß Chevette — ein echtes Weinglas mit echtem französischem Wein in der einen und das kleinste Sandwich, das sie je gesehen hatte, in der anderen Hand — sich schließlich fragte, wieviel Zeit ihr noch blieb, bis dem Hotelcomputer auffiel, daß sie das Gebäude noch nicht wieder verlassen hatte. Obwohl sie hier wohl kaum nach ihr suchen würden, denn da hatte jemand offenbar richtig Geld hingelegt, um eine solche Party feiern zu können.
    Eine wahrhaft private Party, denn sie konnte die
    Leute im dunklen Badezimmer sehen, wie sie Ice durch einen Delphin aus geblasenem Glas rauchten, dessen glatte Rundungen von der flackernden bläulichen Zunge eines wahren Flammenwerfers von einem Feuerzeug erhellt wurden.
    Es war auch nicht bloß ein Zimmer, es waren viele, und alle miteinander verbunden. Und auch viele Leute — die Männer zumeist in Anzügen, deren Jacketts vier Knöpfe hatten, in steifen Hemden mit
    Vatermörderkragen und ohne Krawatte, dafür aber mit einem kleinen, juwelenbesetzten Kragenknopf. Die Frauen trugen Kleider, die Chevette bisher nur in Magazinen gesehen hatte. Reiche Leute, auf jeden Fall, und außerdem Fremde. Dabei war Reichtum an sich ja vielleicht schon fremdartig genug.
    Sie hatte es geschafft, die junge Japanerin horizontal auf einer langen, grünen Couch zu deponieren, wo sie 65
    nun vor sich hin schnarchte und einigermaßen sicher war, außer wenn jemand sich auf sie draufsetzte.
    Chevette hatte sich umgesehen und festgestellt, daß sie nicht die einzige zu schlicht angezogene Einheimische war, die sich irgendwie reingeschmuggelt hatte. Da war zunächst mal der Typ im Badezimmer mit dem großen gelben Feuerzeug, aber der war ein extremer Fall. Dann gab es noch zwei ziemlich offensichtliche Tenderloin-Nutten, aber vielleicht stellten die einfach die akzeptable lokale Note auf dieser Party, worum auch immer es hier ging.
    Aber dann steht ihr dieses Arschloch mit seinem
    fiesen, betrunkenen Grinsen direkt vor der Nase, und sie hat die Hand an einem kleinen Klappmesser, das sie sich ebenfalls von Skinner geborgt hat. Es hat ein Loch im Griff, in das man die Daumenspitze drücken kann, um es mit einer Hand aufschnappen zu lassen. Die Klinge ist keine acht Zentimeter lang, breit wie ein Suppenlöffel, bösartig gezackt und aus Keramik. Skinner sagt, es sei ein Fraktalmesser; die Schneide sei in Wirklichkeit mehr als doppelt so lang wie die Klinge selbst.
    »Mir scheint, du amüsierst dich nicht richtig«, sagt er.
    Ein Europäer, aber sie weiß nicht genau, welche Sorte.
    Weder Franzose

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