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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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die Knie reichten, Turnschuhe, in deren Sohlenränder kleine rote Lämpchen eingebettet waren, und eine runde, verspiegelte Sonnenbrille mit Gläsern in der Größe von FünfDollar-Münzen.
    »Bin ich nicht«, sagte Rydell.
    »Nein, Mann, du siehst so aus wie der.«
    »Wie wer?«
    »Tommy Lee Jones.«
    »Wer?«
    »War 'n Schauspieler, Mann.« Rydell dachte einen Moment lang, daß der Kerl auch einer von Reverend Fallons Leuten sein mußte. Er hatte sogar diese Sonnenbrille, wie Subletts Kontaktlinsen. »Du bist Rydell. Hab dich bei Getrennt bei der Geburt durchlaufen lassen.«
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    »Bist du Freddie?« Getrennt bei der Geburt war ein Polizeiprogramm, das bei Vermißtenfällen benutzt wurde. Man scannte ein Foto der Person, die man suchte, bekam die Namen von einem halben Dutzend
    berühmten Leuten, die eine vage Ähnlichkeit mit dem Gesuchten aufwiesen, ging dann los und fragte die Leute, ob sie in letzter Zeit jemanden gesehen hätten, der sie an A, B, C und so weiter erinnerte. Das Komische war, daß es besser funktionierte, als wenn man ihnen bloß ein Bild des Gesuchten gezeigt hätte. Der Lehrer auf der Akademie in Knoxville hatte Rydells Klasse erklärt, es läge daran, daß man damit den Teil des Gehirns anzapfte, der Informationen über berühmte Leute speicherte. Rydell hatte sich das als eine Art Filmstar-Lappen vorgestellt. Hatten die Leute so was wirklich?
    Vielleicht war der von Sublett riesig. Auf der Akademie hatten sie Rydell durch das Programm geschickt, und es hatte sich herausgestellt, daß er Howie Clacton, dem Pitcher von Atlanta, aufs Haar glich; an einen Tommy Lee Jones konnte er sich nicht erinnern. Aber damals hatte er auch nicht gefunden, daß er sonderlich große Ähnlichkeit mit Howie Clacton hatte.
    Dieser Freddie streckte eine sehr weiche Hand aus, und Rydell schüttelte sie. »Hast du Gepäck?« fragte Freddie.
    »Nur das hier.« Er hob seinen Samsonite hoch.
    »Das da drüben ist Mr. Warbaby«, sagte Freddie
    und nickte zu einem Ausgang hinüber, wo eine
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    uniformierte chilanga die Platzkarten der Leute prüfte, bevor sie sie hinausließ. Ein weiterer Schwarzer ragte hinter ihr auf, riesig, so breit wie dieser Freddie und augenscheinlich doppelt so groß.
    »Großer Bursche.«
    »Mhm«, sagte Freddie, »und wir sollten ihn lieber nicht warten lassen. Sein Bein tut ihm weh heute, aber er hat trotzdem drauf bestanden, vom Parkplatz hier reinzukommen, um dich zu begrüßen.«
    Rydell nahm den Anblick des Mannes in sich auf, als er sich dem Ausgang näherte und der Kontrolleurin seine Karte gab. Er war enorm groß, über eins achtzig, aber was Rydell am meisten auffiel, war eine gewisse Reglosigkeit an ihm, und dazu diese kummervolle Miene. Es war ein Ausdruck, den er im Gesicht eines schwarzen Geistlichen gesehen hatte, das sein Vater immer häufiger betrachtet hatte, als es mit ihm zu Ende ging. Wenn man diesem Geistlichen ins Gesicht schaute, hatte man das Gefühl, er hätte bereits alle schlimmen und traurigen Dinge dieser Welt gesehen, so daß man ihm vielleicht sogar glauben konnte, was er sagte. Jedenfalls hatte Rydells Vater das möglicherweise getan, zumindest ein wenig.
    »Lucius Warbaby.« Er nahm die größten Hände, die
    Rydell je gesehen hatte, aus den tiefen Taschen eines langen, olivgrünen Mantels aus rautenförmig abgesteppter Seide. Seine Stimme war so tief, daß man an unhörbare Baßfrequenzen denken mußte. Rydell 134
    schaute die Hand an, die ihm hingestreckt wurde, und sah, daß der Mann einen dieser altmodischen, klotzigen Goldringe trug, mit ›warbaby‹ in Grotesk-Großbuchstaben aus Diamantsplittern darauf.
    Rydell schüttelte ihm die Hand, die Finger über
    Diamanten und dickes Gold gewölbt. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Warbaby.«
    Warbaby trug einen schwarzen Stetson, der völlig
    waagerecht auf seinem Kopf saß und dessen Krempe
    überall nach oben gebogen war, und eine Brille mit dickem schwarzen Rahmen. Klare Gläser, glatt wie Fensterscheiben. Die Augen hinter diesen Gläsern waren chinesisch oder so; katzenhaft, schräg, von einem seltsamen Goldbraun. Er stützte sich auf einen dieser verstellbaren Stöcke, die man im Krankenhaus bekam.
    Um sein linkes Bein war ein schwarzer, von großen, mitternachtsblauen Nylonkissen gepolsterter Stützapparat geschnallt. Enge schwarze Jeans, brandneu und noch keinmal gewaschen, steckten in riesigen, mit Spucke polierten, dreifach schwarz changierenden Cowboystiefeln.
    »Juanito meint, Sie sind ein

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