Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
rappelig.
    Hab nichts dagegen, mit dir zu fahren, aber wenn ich stehenbleibe und anfange, drüber nachzudenken, hab ich Angst, daß ich zu Stein erstarre. Was soll ich bloß tun?
    Vielleicht sind die Cops schon da, wenn ich hinkomme?
    Was wird Skinner sagen, wenn die Cops zu ihm
    raufkommen? Vielleicht komm ich morgen zur Arbeit, und Bunny schmeißt mich raus. Was soll ich bloß tun?«
    Sammy Sal sah sie mit dem gleichen Blick an wie in der Nacht, als sie ihn gebeten hatte, sie bei Allied unterzubringen. Dann grinste er. Hinterhältig und lustig.
    All diese scharfen weißen Zähne. »Dann laß das Ding mal zwischen deinen Beinen. Na los, versuch, an mir dranzubleiben.«
    Er fuhr schwankend los, und seine Fluorofelgen leuchteten neonweiß auf, als er in die Pedale trat. Dann mußte er seinen Blaster eingeschaltet haben, denn sie hörte das dumpfe Pochen der Bässe, als sie sich ins Verkehrsgewühl stürzte und hinter ihm herfuhr.
    187

Loveless
    »Wülste noch 'n Bier, Süßer?«
    Die Frau hinter der Bar hatte ein kompliziertes schwarzes Filigranmuster an beiden Seiten ihres rasierten Schädels, das bis dorthin ging, wo nach Yamasakis Schätzung ihr natürlicher Haaransatz war. Der Stil der Tätowierung verband keltische Knoten mit den Blitzstrahlen aus einem Zeichentrickfilm. Ihr Haar darüber war wie der Pelz eines Nachttiers, das sich von Wasserstoffsuperoxid und Vaseline ernährt hatte. Ihr linkes Ohr war aufs Geratewohl vielleicht ein dutzendmal von einem einzigen Stück feinen Stahldrahts durchbohrt.
    Normalerweise fand Yamasaki so eine Aufmachung interessant, aber jetzt war er völlig ins Schreiben versunken. Sein Notebook lag offen vor ihm.
    »Nein, danke«, sagte er.
    »Du willst doch keinen Ärger kriegen, oder?« Ihr Ton war absolut freundlich. Er schaute von seinem Notebook auf. Sie wartete.
    »Ja?«
    »Wenn du hier sitzen willst, mußt du was trinken.«
    188
    »Ein Bier, bitte.«
    »Das gleiche noch mal?«
    »Ja, bitte.«
    Sie machte eine Flasche mexikanisches Bier auf.
    Kleine Eisstückchen rutschten an der Seite herunter, als sie die Flasche vor ihm auf den Tresen stellte und zu dem Gast links von ihm weiterging. Yamasaki wandte sich wieder seinem Notebook zu.
     
    Skinner hat mir wiederholt klarzumachen versucht, daß es hier keinen Handlungsplan welcher Art auch immer gibt, keine tieferliegende Struktur. Nur die Knochen, die Brücke, das Thomasson selbst. Als das Little Grande kam, war es nicht Godzilla. In der Tat gibt es keinen exakt äquivalenten Mythos an diesem Ort und in dieser Kultur (obwohl das für Los Angeles vielleicht nicht so gilt). Die Bombe, auf die man so lange gewartet hat, ist nicht mehr da. An ihre Stelle traten die Seuchen, die ganz langsamen Kataklysmen. Als Godzilla dann schließlich Tokio heimsuchte, hatten wir uns bereits mit dem Untergang abgefunden, auch wenn wir es leugneten oder zutiefst verzweifelt waren. In Wahrheit haben wir die entsetzliche Zerstörung willkommen geheißen. Noch während wir unsere Toten betrauerten, spürten wir, daß wir wieder einmal die erstaunlichsten Chancen bekamen.
     
    »Das Ding ist wirklich hübsch«, sagte der Mann zu seiner Linken und legte die Hand auf Yamasakis 189
    Notebook. »Muß aus Japan sein, so hübsch ist es.«
    Yamasaki blickte mit einem unsicheren Lächeln auf und schaute in sonderbar leere Augen. Sie waren wach und konzentriert, aber irgendwie stumpf.
    »Aus Japan, ja«, sagte Yamasaki. Die Hand zog sich langsam von seinem Notebook zurück, nicht ohne es noch einmal zärtlich zu streicheln.
    »Loveless«, sagte der Mann.
    »Verzeihung?«
    »Loveless. Mein Name.«
    »Yamasaki.«
    Die blassen, weit auseinanderstehenden Augen waren die Augen eines Wesens, das in der Tiefe eines stillen Gewässers lauerte. »Ja. Hab ich mir gedacht, daß es so was in der Art ist.« Ein schnelles Lächeln, von archaischem Gold durchsetzt.
    »Ja? In welcher Art?«
    »Was Japanisches. Was mit saki oder suki. Irgend so 'n Kram.« Das Lächeln wurde irgendwie schärfer.
    »Trinken Sie Ihr Corona aus, Mr. Yamasaki.« Die Hand des Fremden schloß sich fest um sein Handgelenk.
    »Wird langsam warm, hm?«
    190

Zimmer 1015
    Es gab ein Produkt namens Kil'Z, das Rydell auf der Akademie kennengelernt hatte. Es roch ein bißchen nach altem Haarwasser, blumig und kühl, und man benutzte es in Situationen, in denen beträchtliche Mengen von Körperflüssigkeiten verschüttet worden waren. Es war ein antiviraler Wirkstoff, der den Erregern von HIV l bis 5,

Weitere Kostenlose Bücher