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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Krim-Kongofieber, Mokolafieber, Tarzana-Denguefieber und Kansas-City-Grippe den Garaus machen konnte.
    Er roch es jetzt, als der IntenSecure-Mann mit einem schwarz anodisierten Hauptschlüssel die Tür von Zimmer 1015 aufschloß.
    »Wir werden dran denken, wieder abzuschließen, wenn wir gehen«, sagte Warbaby und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Hutkrempe. Der IntenSecure-Mann zögerte und sagte dann: »Ja, Sir. Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
    »Nein«, sagte Warbaby und betrat das Zimmer.
    Freddie folgte ihm auf den Fersen. Rydell kam zu dem Schluß, daß er wohl ebenfalls mit hineingehen sollte. Er 191
    tat es und machte dem IntenSecure-Mann die Tür vor der Nase zu. Dunkel. Die Vorhänge zugezogen. Der Geruch von Kil'Z. Das Licht ging an. Freddies Hand am Schalter. Warbaby starrte auf eine hellere Stelle auf dem ziegelroten Teppich, wo das Bett gestanden haben mußte.
    Rydell schaute sich um. Altmodisch und teuer. Fast wie in einem Club. Die Wände mit einem glänzenden, weißgrün gestreiften, seidenartigen Stoff tapeziert.
    Möbel aus poliertem Holz. Moosgrün bezogene Sessel.
    Eine große Messinglampe mit einem dunkelgrünen Schirm. Ein verblaßtes altes Bild in einem wuchtigen Goldrahmen. Rydell ging hin, um es sich genauer anzusehen. Ein Pferd, das ein zweirädriges Gefährt mit einem einzigen kleinen Sitz drauf zog, auf dem ein bärtiger Mann mit einem Hut wie Abe Lincoln saß.
    ›Currier & Ives‹ stand darunter. Rydell fragte sich, welcher von beiden das Pferd war. Dann sah er einen runden, bräunlich-purpurnen Fleck getrockneten Blutes auf dem Glas. Er war rissig wie Schlamm in einem ausgetrockneten Bachbett im Sommer, aber winzig.
    Hatte auch nichts von dem Kil'Z abbekommen, wie es aussah. Er trat zurück.
    Freddie in seinen großen Shorts und dem Hemd mit den Pistolen drauf hatte es sich in einem der grünen Sessel bequem gemacht und klappte gerade seinen Laptop auf. Rydell sah zu, wie er ein kleines schwarzes Kabel ausrollte und es in die Buchse neben dem Telefon 192
    steckte. Er fragte sich, ob Freddie keine kalten Beine bekam, wenn er hier im November Shorts trug. Er hatte schon bemerkt, daß manche Schwarzen so voll auf Mode abgefahren waren, daß sie sich kleideten, als wäre ›Wetter‹ für sie ein Fremdwort.
    Warbaby starrte nur auf die Stelle, wo das Bett gewesen war, und sah dabei so traurig aus wie immer.
    »Na?« sagte er.
    »Ich hab's gleich, ich hab's gleich«, sagte Freddie und drehte an einer kleinen Kugel an seinem Laptop herum.
    Warbaby grunzte. Rydell beobachtete ihn und hatte den Eindruck, daß die Gläser seiner schwarzrandigen Brille einen Moment lang schwarz wurden. Da spielte ihm das Licht einen Streich. Dann bekam er so ein komisches Gefühl, weil Warbaby einfach durch ihn durchsah; sein unsteter Blick war so scharf auf ein sich bewegendes Etwas gerichtet, daß sich Rydell selber umwandte, um hinzuschauen — aber da war nichts.
    Er drehte sich wieder zu Warbaby um. Warbabys Stock kam hoch, zeigte auf die Stelle, wo das Bett gewesen war, und schwenkte dann wieder nach unten zum Teppich. Warbaby seufzte.
    »Wollen Sie jetzt die Schauplatzdaten vom SFPD
    haben?« fragte Freddie.
    Warbaby grunzte. Seine Augen zuckten von einer Seite zur anderen. Rydell dachte an
    Fernsehdokumentationen über Voodoo, in denen die 193
    Augen der Priester immer rollten, wenn die Götter in sie fuhren.
    Freddie drehte den Trackball unter der Hand.
    »Fingerabdrücke, Haare, Hautschuppen ... Wie das in 'nem Hotelzimmer eben so ist.«
    Rydell konnte es nicht mehr ertragen. Er stellte sich vor Warbaby und schaute ihm direkt in die Augen.
    »Was, zum Teufel, machen Sie da?«
    Warbaby sah ihn. Er schenkte ihm ein träges,
    trauriges Lächeln und nahm die Brille ab, holte ein großes, marineblaues Seidentaschentuch aus der Seitentasche seines langen Mantels und polierte sie damit. Er gab sie Rydell. »Setzen Sie sie auf.«
    Rydell schaute auf die Brille hinunter und sah, daß die Gläser jetzt dunkel waren.
    »Na los«, sagte Warbaby.
    Rydell fiel auf, wie schwer sie war, als er sie aufsetzte. Pechschwarz. Dann kam ein weiches, verschwommenes Kugelblitzgeflacker, wie man es sah, wenn man sich im Dunkeln die Augen rieb, und er sah Warbaby vor sich. An einer unsichtbaren Wand direkt hinter Warbaby standen Worte und Zahlen in leuchtendem Gelb. Sie wurden scharf, als er sie anschaute, wobei er Warbaby irgendwie aus dem Blick verlor, und er sah, daß es sich um forensische Daten

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