Virtuelles Licht
wollt also, daß ich gehe?« fragte Rydell und stopfte seine zusammengefaltete Papierserviette in die ölige weiße Papierschachtel, in der seine beiden Kim Tschi Wawas gewesen waren.
»Das soll dir mal lieber Mr. Warbaby selber
erklären.«
Sie fanden Warbaby, wo sie ihn verlassen hatten, in dem dunklen Café mit der hohen Decke, das in North Beach war, wie Freddie sagte. Er hatte wieder diese Brille auf, und Rydell fragte sich, was er wohl sah.
Rydell hatte seinen blauen Samsonite aus dem Patriot und seine Container-City-Tüte mitgebracht. Er ging ins Bad, um sich umzuziehen. Es gab nur eins für beide Geschlechter, und es war wirklich ein Bad, mit einer 226
Badewanne drin. Nicht daß sie jemand benutzte; innen rein war nämlich eine lebensgroße Meerjungfrau gemalt, auf deren Bauch eine braune Zigarette ausgedrückt worden war, direkt über der Stelle, wo die Schuppen anfingen.
Rydell stellte fest, daß Kevins Khakihose am Hintern aufgerissen war. Er fragte sich, wie lange er schon so rumlief. Da er jedoch in Container City noch nichts davon bemerkt hatte, hoffte er, daß es im Wagen passiert war. Er zog das IntenSecure-Hemd aus, stopfte es in den Abfalleimer und zog eins der schwarzen TShirts an. Dann schnürte er seine Stiefel auf und suchte nach einer Möglichkeit, Hose, Socken und Unterwäsche zu wechseln, ohne die Füße auf den feuchten Boden setzen zu müssen. Er erwog, es in der Wanne zu machen, aber die sah ebenfalls dreckig aus. Er kam zu dem Ergebnis, daß man es irgendwie hinkriegen konnte, indem man sich auf seine Schuhe stellte und sich dann halb auf die Toilette setzte. Er warf alles, was er auszog, in den Abfalleimer. Während er sich fragte, wieviel noch auf der Debitkarte sein mochte, die Freddie ihm gegeben hatte, transferierte er seine Brieftasche in die rechte Gesäßtasche seiner neuen Jeans und zog seine neue Jacke an. Er wusch sich die Hände und das Gesicht in einem Rinnsal sandigen Wassers, kämmte sich die Haare, packte den Rest seiner neuen Sachen in den Samsonite und behielt die Container-City-Tüte für Schmutzwäsche.
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Er hätte gern geduscht, aber er wußte nicht, wann er dazu kommen würde. Saubere Sachen waren das Zweitbeste.
Warbaby blickte auf, als Rydell an seinen Tisch zurückkam. »Freddie hat Ihnen ein bißchen was über die Brücke erzählt, stimmt's, Rydell?«
»Er sagt, das sind alles Kinderfresser und
Teufelsanbeter.«
Warbaby funkelte Freddie an. »Vielleicht zu farbig formuliert, aber unangenehm nah an der Wahrheit, Mr.
Rydell. Absolut kein gesunder Ort. Und praktisch außerhalb der Reichweite des Gesetzes. Unsere
Freunde Swobodow oder Orlowsky werden Sie da
draußen zum Beispiel nicht antreffen. Jedenfalls nicht in ihrer offiziellen Eigenschaft.«
Rydell bemerkte, daß Freddie darüber zu grinsen begann, sah jedoch, wie das Grinsen unter Warbabys wütendem Blick sofort wieder erlosch.
»Freddie hat mir zu verstehen gegeben, daß Sie mich da rausscheuchen wollen, Mr. Warbaby. Daß ich hingehen und dieses Mädchen suchen soll.«
»Ja«, sagte Warbaby ernst, »so ist es. Ich wünschte, ich könnte Ihnen sagen, daß es ungefährlich ist, aber das ist nicht der Fall.«
»Tja ... Wie gefährlich ist es denn, Mr. Warbaby?«
»Sehr gefährlich«, antwortete Warbaby.
»Und dieses Mädchen, ist die auch gefährlich?«
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»Höllisch gefährlich«, sagte Warbaby, »um so mehr, als sie nicht immer gefährlich aussieht. Sie haben ja schließlich gesehen, was mit dem Hals dieses Mannes geschehen ist ...«
»Herr im Himmel«, sagte Rydell, »Sie glauben, dieses kleine Mädchen hat das getan?«
Warbaby nickte traurig. »Schrecklich«, sagte er, »die Menschen machen so schreckliche Sachen ...«
Als sie zum Wagen gingen, sah er, daß er genau vor einem Wandgemälde von J. D. Shapely geparkt hatte, der eine Motorradjacke aus schwarzem Leder über dem bloßen Oberkörper trug und von einem halben Dutzend extrem schwul aussehender Engel mit langen blonden Rockerhaaren zum Himmel emporgetragen wurde. Da waren diese blauen, glühenden Spiralen, DNA oder so, die sich aus Shapelys Bauch ringelten und etwas attackierten, was Rydells Ansicht nach ein AIDS-Virus sein sollte, nur daß es eher wie eine rostige, gepanzerte Raumstation mit fiesen Roboterarmen aussah.
Er dachte, wie seltsam es gewesen sein mußte, dieser Kerl zu sein. Ungefähr genauso seltsam, wie überhaupt irgendwann irgendwer zu sein. Aber noch viel seltsamer wäre es, jetzt Shapely zu sein, und so
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