Virulent
Tasche. Er blickte sich nach links und rechts um. Die Cops würden nicht kommen, es sei denn, jemand fuhr die Straße entlang und sah die beiden Leichen auf dem Boden. Dann konnten die Cops schnell sein, verdammt schnell. Rome musterte den hüfthohen Zaun. Ein paar Meter entfernt hatte ihn jemand aufgerissen.
Abhauen oder alles vertuschen?
Er schob seine .38er in die Hose, packte einen Arm des dicken Mannes und zog ihn zum Riss im Zaun. Der Mann musste über einhundert Kilo gewogen haben. Rome schob das aufgerissene Stück beiseite, duckte sich unter einem kreuzförmigen Pfosten hindurch und zog die Leiche des Mannes mit sich. Als er wieder zurückkroch, sah er die Blutspur im Schnee.
Fuck. Irgendjemand würde das sehen, sobald die Sonne aufging. Auch wenn er jetzt noch jede Menge Zeit hatte.
Aber da war ja schließlich noch eine Leiche.
Rome betrachtete seinen toten Freund. Er kannte Jamall, seit sie beide zehn Jahre alt gewesen waren. Rome hatte schon vorher Menschen sterben sehen, aber nicht seinen Freund.
Er spürte, wie ihm eine Träne über die linke Wange lief.
»Tut mir leid, Mann«, sagte Rome, als er Jamalls Handgelenk packte und zu ziehen anfing. »Ich verspreche dir, dass ich mit deiner Mutter reden werde. Ich hasse es, dich hier liegen zu lassen, aber ich muss verschwinden. Ich weiß, du hättest es genauso gemacht, Mann. Du weißt ja, wie’s läuft.«
Jamall sagte nichts. Er starrte einfach nur in den Himmel, während er über den Boden gezerrt wurde.
Rome zog Jamall unter dem Zaun hindurch. Er ließ ihn nicht
direkt neben dem dicken Mann liegen, sondern gut anderthalb Meter entfernt. Wenigstens das konnte er für seinen toten Freund tun. Dann glitt Rome ein letztes Mal unter dem Zaun hindurch, packte beide McDonald’s-Tüten und schleuderte sie über den Zaun. Schließlich hob er die Waffen auf und rannte zum Wagen. Er konnte sie irgendwo in den Fluss werfen.
Weniger als fünf Minuten, nachdem sie den Mann angehalten hatten, fuhr Rome in seinem Wagen die verlassene Straße entlang.
88
Wie Legosteine
Chelsea forderte Mommy und Mr. Burkle auf, den Winnebago zu verlassen. Sie blieb reglos und stumm sitzen und konzentrierte ihre ganze Aufmerksamkeit auf Mr. Jenkins.
Sie konnte seinen Aufenthaltsort spüren. Sie konnte Mommy zu ihm schicken … aber es war zu spät.
Chelsea spürte, wie sein Leben dahinschwand.
Der Tod.
Sie hatte gespürt, wie Daddy, Mr. Beckett und Ryan Roznowski gestorben waren, doch dieser Tod war anders. Die drei Männer waren nichts weiter als Gefäße gewesen, ihr einziger Zweck hatte darin bestanden, die Püppchen zu transportieren. Doch Mr. Jenkins war wie sie selbst. Er war verwandelt worden; sie waren miteinander verbunden gewesen.
Sie holte tief Luft und versuchte, das Übermaß an Informationen zu verarbeiten, die ihr durch den Kopf strömten. Es
war nicht leicht. Die Infektion hatte sich auf viele Männer von General Odgen übertragen. Deren Wissen strömte unablässig auf sie ein, während Chelsea ihre Gehirne nach neuen Kenntnissen absuchte.
Jetzt kannte sie Wörter, die die meisten Siebenjährigen wahrscheinlich noch nie gehört hatten und definitiv nicht verstanden.
Wörter wie Kollektivorganismus.
Mr. Jenkins war Teil dieses Kollektivs gewesen.
Chauncey, was wird jetzt mit Mister Jenkins passieren?
Er wird so schnell verwesen, dass niemand ihn untersuchen und gegen uns verwenden kann.
Aber was wird mit seiner … mit seiner Schnittstelle geschehen? Mit all den kleinen Teilen von dir, die in ihm sind?
Sie sind so konstruiert, dass sie sich selbst zerstören, wenn sein Körper seine Funktionen einstellt.
Aber wir könnten sie doch verwenden.
Nein, Chelsea, sie müssen verrotten.
Komm nicht in seine Nähe. Halte dich versteckt.
Chelsea dachte nach. Sie schickte ihren Geist auf die Reise und schuf eine Verbindung zu den kleinen Dingen in Mr. Jenkins’ Körper. Konnte sie es? Ja … ja, sie konnte es.
Chauncey, ich kann sie verändern. Ich kann ihre Teile neu anordnen, wie Legosteine.
Chelsea, ich befehle dir, damit aufzuhören.
Chelsea ignorierte Chauncey. Sie liebte Gott, aber vielleicht wusste Gott droben im Himmel nicht, wie die Dinge hier unten auf der Erde funktionierten. Sie sandte ein starkes Signal an die kleinen Teile in Mr. Jenkins’ Körper, ein Signal in Form zweier Bilder.
Ein Bild stellte Mr. Jenkins so dar, wie er ausgesehen hatte, als er noch am Leben war, lächelnd und mit dicken Wangen. So
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