Virulent
können. Er musste ein Tourist sein oder so was. Oder vielleicht ein Schwachsinniger, denn er sah nicht so aus, als hätte er Angst. Nicht einmal ein bisschen.
»Nein«, sagte der Mann.
Wutentbrannt verzerrte Jamall das Gesicht. Rome wurde nervös. Jamall mochte es nicht, wenn die Leute nein zu ihm sagten. Besonders nicht, wenn es Weiße waren. Rasch suchte Rome die Straße ab. Da war niemand, doch die ganze Sache dauerte bereits zu lange.
»Ich sag’s dir nur noch einmal«, sagte Jamall. »Stell die Tüten ab und gib meinem Kumpel die Brieftasche. Wenn genügend Geld drin ist, werde ich dich nicht umbringen.«
»Nein«, sagte der Mann. »Ich kann nicht. Ich muss immer noch die Eiscreme-Riegel holen. Chelsea wird wahnsinnig wütend sein, wenn ich ohne das Eis zurückkomme.«
Jamall machte zwei Schritte nach vorn und drückte dem Mann den Lauf seiner Pistole an die Stirn.
»Deine Eiscreme-Riegel sind mir scheißegal«, sagte Jamall. »Stell diese beschissenen Tüten ab.«
Der Mann ging in die Hocke, stellte die Tüten in das schneebedeckte Gras und richtete sich wieder auf. Er wirkte immer noch nicht verängstigt. Rome gefiel diese Scheiße nicht, sie gefiel
ihm ganz und gar nicht. Normalerweise machten sich die Leute in die Hose, wenn man sie mit einer Waffe bedrohte. Dieser Kerl sah aus, als hätte man ihm schon so oft eine Waffe ins Gesicht gehalten, dass es ihn langweilte. Scheiß aufs Geld. Rome wollte nur noch weg.
Der Mann führte seine rechte Hand nach hinten.
»Sehr schön«, sagte Jamall. »Und jetzt gib mir ganz langsam deine Brieftasche.«
Der Gesichtsausdruck des Mannes veränderte sich nicht. Er griff mit seiner linken Hand nach oben, packte Jamalls Pistole und hob sie so weit hoch, dass der Lauf in die Luft zeigte. Die Bewegung war weder schnell noch langsam, nur sehr elegant. Ohne zu zögern. Jamall schien eine Sekunde lang zu erstarren. Er konnte es einfach nicht glauben, dass jemand so bescheuert sein konnte, sich mit ihm anzulegen. Dann versuchte er, seine Waffe frei zu bekommen.
Erst in diesem Augenblick sah Rome, dass die rechte Hand des Mannes wieder hinter seinem Rücken hervorkam – und zwar mit derselben Geschwindigkeit und derselben selbstsicheren Eleganz. In der Hand war eine Pistole.
Der Mann richtete den Lauf gegen Jamalls Magen und drückte ab.
Es hörte sich an wie eine Platzpatrone. Es klang nicht echt. Jamall zuckte, eher aus Überraschung als vor Schmerz.
So elegant wie zuvor schob der Mann seine Waffe unter Jamalls Kinn und drückte zweimal ab.
Plötzlich schoss Blut aus dem Hals des Mannes. Zuerst dachte Rome, dass Jamalls Blut den Mann bespritzt hatte, doch Jamall blutete gar nicht so heftig. Er schwankte nur einen Augenblick lang hin und her und stürzte dann zu Boden.
Der dicke Mann ließ seine Waffe fallen und drückte beide
Hände auf seinen Hals. Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Er sah immer noch gelangweilt aus, sogar als das Blut zwischen seinen Fingern hervorquoll.
Der Mann drehte sich zur Seite zu Rome.
Rome hatte seine .38er abgefeuert. Genau das war passiert. Aus dem kurzen Lauf stieg Rauch auf. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass er abgedrückt hatte, und doch war es so. Er hatte dem Mann in den Hals geschossen.
Der Mann blinzelte ein paarmal. Dann ging er in die Hocke, ein Knie auf die Erde gedrückt. Er führte die Hände nach hinten und ließ sich in eine sitzende Position sinken. Noch immer strömte Blut aus seinem Hals; ein Teil davon spritzte auf die weißen McDonald’s-Tüten. Das Blut beschmierte seinen Kragen und sein Hemd und tropfte aus seinem roten Bart.
»Ich wollte«, sagte der Mann leise, »ich wollte, ihr könntet die Liebe kennenlernen.«
Dann legte er sich auf die Seite und hörte auf sich zu bewegen.
Das Blut strömte langsamer heraus.
Rome sah die Brieftasche des Mannes in seiner Gesäßtasche. Er starrte sie eine Sekunde lang an, dann durchzuckte ihn Panik wie ein Blitz und er war wieder bei Verstand. Er hatte diesen Mann gerade umgebracht. Ein bewaffneter Raubüberfall, das hieß Mord ohne mildernde Umstände. Er sah zu Jamall. Jamall war tot. Fuck! Jamall? Wie konnte Jamall tot sein?
Es waren keine Sirenen zu hören. Es würden auch keine zu hören sein. Niemand hier rief die Cops nur wegen ein paar Schüssen.
Romes Herz hämmerte heftig. Er atmete tief und rasch. Alles war total schiefgelaufen.
Er packte die Brieftasche des Mannes. Es war so viel Geld darin, dass sie ganz dick war. Rome schob sie in seine
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