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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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konnte ihn jetzt unmöglich alleine lassen,
nicht in dieser schwierigen Situation. Sie hatte ihm das Gefühl gegeben, für
ihn da zu sein, ihm beizustehen. Nur wegen ihres Zuspruchs hatte er sich
schließlich durchgerungen, seine tiefsten Gefühle, seine schlimmsten
Empfindungen mit ihr zu teilen, seine schrecklichsten Erinnerungen wieder
aufleben zu lassen. Sie konnte ihm jetzt unmöglich ihren Beistand verweigern.
    „Ich denke, du solltest gehen”,
sagte Holger plötzlich. Konnte er Gedanken lesen?
    „Ich habe keine Ahnung, was ein
Coronavirus ist”, fuhr er fort, „aber es klingt wichtig. Vergiss nicht, dass
wir hier eine Mordserie aufzuklären haben.”
    „Es ist wichtig”, erwiderte sie.
„Aber ich möchte, dass du mitkommst. Ich werde dich jetzt auf keinen Fall
alleine lassen.”
    Erleichterung machte sich auf
Holgers Gesicht breit, doch Driver hob die Hände zu einer bremsenden Geste.
    „Ich weiß nicht, ob das…”, setzte
er an, doch Debbie ließ ihn nicht ausreden.
    „Hören Sie, Mister”, fuhr sie ihn
an. „Sie wollen, dass ich ihren Virus untersuche – fein. Aber ich tue es nur,
wenn mein Freund mitkommen kann. Und ich sehe wirklich nicht, warum das ein
Problem darstellen könnte.”
    Driver druckste ein wenig herum,
offenbar auf der Suche nach dem richtigen Satzanfang.
    „Sehen Sie…”, begann er
schließlich.
    „Oh, ich verstehe.” In der Tat
sah Debbie plötzlich glasklar und sie hatte Mühe, die Fassung zu wahren.
„Holger ist kein Amerikaner und Sie haben ihn nicht auf Herz und Nieren
durchleuchtet. Das gibt Ihnen natürlich fürchterliche Bauchschmerzen.”
    „Lass gut sein, Debbie”, warf
Holger ein. „Du fährst ins Labor und ich gehe nach Hause.”
    Doch Debbie hatte nicht die
geringste Absicht, es gut sein zu lassen. Ihr Tonfall schlug in einen beißenden
Sarkasmus um. „Was, wenn er dem Feind berichtet? Wenn er sich auf die andere
Seite schlägt? Wenn er seine Informationen an Terroristen verkauft? Wenn er
unter Blähungen leidet und das Labor vollstinkt? Kaum aufzuzählen, was alles
für Gefahren von ihm ausgehen. Ich kann Ihnen Ihr Misstrauen kaum verübeln,
James Bond. Man sieht ihm ja an, dass er mit der dunklen Seite der Macht paktiert.
Wenn ich jemals ein typisches Verbrechergesicht gesehen habe, dann dieses. Ihr
Pech. Ihre Virologin kriegen Sie nur im Doppelpack mit ihrem Terroristen.”
    Sie griff nach Holgers Hand und
kehrte Driver ohne ein weiteres Wort den Rücken zu. Sie hatten sich bereits
einige Schritte von ihm entfernt, als Debbie seine besänftigende Stimme hinter
sich hörte.
    „Okay, okay. Sie haben gewonnen.
Er kann mitkommen.”

65.
    Dora konnte nicht einschlafen.
Wie auch, mit dem Wissen, dass ihr Freund sich irgendwo umhertrieb und
Dummheiten beging. Denn dessen war sie sich sicher. Sie hatte keine Sekunde
angenommen, Passe könne vielleicht einfach mit anderen Globalisierungsgegnern
vor deren Zelt sitzen, Dosenbier trinken und sich unterhalten. Sie wusste, dass
Passe mit denjenigen Demonstranten, die hier am Zeltplatz zurückgeblieben
waren, nichts anfangen konnte. Sie waren ihm nicht radikal genug. Die einzigen,
mit denen er sich unterhalten würde, waren samt und sonders im ‚Dorfkrug’.
    Zudem würden die gewaltfreien
Globalisierungsgegner, die friedlich vor ihren Zelten saßen, Spaß hatten und
den Gipfel im Großen und Ganzen so verlebten, wie Dora es sich erträumt hatte,
Passe niemals einladen, sich zu ihnen zu setzen. Passe war nach seinem Auftritt
vom Mittag mit Sicherheit bekannt wie ein bunter Hund, und seine Reputation
dürfte kaum mit den Vorstellungen der friedfertigen Demonstranten vereinbar
sein.
    Nein, er war gewiss nicht unter
anderen Menschen. Er war alleine und das konnte nur bedeuten, dass er etwas
anstellte. Wie sollte sie da bitteschön schlafen? Ausgeschlossen.
    Plötzlich sah sie den
kreisförmigen Schein einer Taschenlampe auf dem Zelt und kurz darauf hörte sie,
wie jemand von außen den Reißverschluss öffnete. Sie beschloss, sich schlafend
zu stellen, denn auf Diskussionen hatte sie heute Abend keine Lust mehr.
    Sie schielte zu Passe hinüber,
kniff die Augen aber plötzlich zu, als er ihr ins Gesicht leuchtete. Offenbar
davon überzeugt, dass sie schlief, ließ er den Lichtkegel weiterwandern, und
sie öffnete ihre Augen wieder einen Spalt.
    Er hatte die Taschenlampe auf
seinen Schlafsack gelegt und zog sein Sweatshirt über den Kopf. Als er die Arme
wieder sinken ließ, fiel der Schein der Taschenlampe auf seine

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