Virus (German Edition)
Hände und Dora wurde
schlagartig eiskalt. Sie konnte nicht glauben, was sie sah, und doch war ein
Irrtum ausgeschlossen.
Sie würde in dieser Nacht kein
Auge mehr zu tun und sich doch nicht trauen, auch nur ein Wort mit ihrem Freund
zu sprechen. In diesem Moment wurde ihr klar, dass sie diese Beziehung würde
beenden müssen, doch sie hatte keine Ahnung, wie. Sie wusste nur, dass sie
plötzlich schreckliche Angst vor ihm hatte.
Passes Hände waren rot. Tiefrot.
Es war Blut, das an seinen Händen klebte.
Donnerstag, 10. Mai 2007
66.
Es war bereits nach Mitternacht,
als Debbie, Holger und Driver am Institut für Mikrobiologie und Virologie der
Universität Rostock eintrafen. Debbie hatte Zweifel geäußert, den Virus hier
überhaupt untersuchen zu können, denn sie wusste, dass das Institut nicht über
ein Hochsicherheitslabor nach BSL4 Standard verfügte. Ausschließlich Labore
dieser Art waren geeignet, um gefährliche Viren zu untersuchen, und in
Deutschland und seinen Nachbarländern gab es nur vier Forschungsstätten dieser
Art. Das nächste befand sich in Marburg und war brandneu. Weitere gab es in
Stockholm, London und Lyon, doch Debbie war zu keinem Zeitpunkt davon
ausgegangen, dass Driver so viel Zeit auf die Anreise zu verwenden
beabsichtigte.
Der Geheimdienstler hatte ihr
zugesichert, es seien Maßnahmen getroffen worden, die es ihr ermöglichen
würden, auch in Rostock Untersuchungen an dem Virus vorzunehmen.
Für einen winzigen Augenblick
hatte Debbie daran gezweifelt, um diese Uhrzeit überhaupt noch jemanden in dem
Institut anzutreffen, doch dann war ihr wieder eingefallen, dass es die CIA
war, für die sie nun arbeitete, und sämtliche Zweifel waren verschwunden.
Tatsächlich war nicht nur ein Mitarbeiter des Instituts zugegen, er hatte sogar
bereits alles vorbereitet. Zum Dank dafür bat Driver ihn, das Labor zu
verlassen und sie bei ihrer Arbeit nicht weiter zu stören.
„Ich nehme an, Sie wissen, wo Sie
alles finden?” erkundigte sich Driver.
Natürlich wusste sie das. Sie
hatte in unzähligen virologischen Laboren gearbeitet, und auch wenn natürlich
jedes seine Eigenheiten hatte, so würde sie sich doch ohne Drivers Hilfe besser
zurechtfinden als mit ihr. Driver ließ Holger und Debbie allein, versprach
aber, jenseits der Tür zu warten, falls Fragen aufkämen.
Holger begann, sich interessiert
in dem Labor umzusehen.
„Es tut mir leid”, sagte Debbie
leise.
„Was?”
„Ich wollte für dich da sein, dir
beistehen, aber irgendwo zwischen Jägers Bewusstlosigkeit und der Erwähnung des
Coronavirus’ muss was schiefgelaufen sein.”
„Schon gut. Mach dir keine
Gedanken.”
Sie trat zu ihm und legte ihren
Arm um seine Schultern.
„Ich glaube, dass es wichtig für
dich ist, Natalias Tod zu verarbeiten”, sagte sie. „Auch wenn es im Moment
schwer ist – auf Dauer wird es dir helfen, wieder zu leben.”
Er blickte ihr in die Augen. „Ich
weiß”, sagte er leise. „Mach dir keine Sorgen um mich. Das hier ist wichtig.
Wir haben einen Mord aufzuklären. Was hältst du davon: Du kümmerst dich um den
Virus und ich überlege derweil, was der komische Satz auf Trébors Zunge
bedeuten könnte.”
Sie lächelte ihn an. Er wirkte so
tapfer und sie konnte nur hoffen, dass es nicht wieder eine Festung war, dass
er nicht von einem Schutzmechanismus in den nächsten floh. Vielleicht waren es
nur die äußeren Umstände, die ihn zu seiner Rationalität bewogen, vielleicht
fühlte er sich wirklich befreit, nachdem er die Last der letzten zwei Jahre
abgelegt hatte. Sicher würde sie es in dieser Nacht nicht mehr herausfinden.
Debbie fand ein Telefon auf der
Arbeitsfläche, wählte die Nummer ihres Labors in Minneapolis und schaltete die
Freisprechanlage ein. Die CIA würde schon für die Telefonkosten aufkommen.
Bereits nach kurzem Läuten nahm Bobby ab.
Während sie ihm von den
Anschlägen auf Dickinson und Trébor und ihren neuen Erkenntnissen berichtete,
begann sie, die vom Rechtsmediziner isolierten Viren zu untersuchen. Bobby
hörte ihr zu, und an seinen gelegentlichen Reaktionen las sie ab, dass ihr
Fortschreiten und ihre Theorien ihn durchaus faszinierten. Als sie allerdings
erwähnte, dass sie eines der drei weiteren Opfer sei, verschlug es ihm die
Sprache. Drucksend versuchte er, sie zu beruhigen, zeigte dabei aber die gleiche
Unbeholfenheit wie am Vortag, als Debbies Heulkrampf ihn so offensichtlich
überfordert hatte.
„Shoot!” rief sie
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