Virus
dem Ausbruch einer Epidemie aus.«
»Ich bezweifle, daß ›Epidemie‹ der richtige Ausdruck dafür ist. Es scheint, daß wir heute einen neuen Fall haben, aber das ist der einzige seit zwei Tagen. Ich hoffe, daß es der letzte ist, aber das kann natürlich niemand so genau wissen.«
»Das klingt jedenfalls besorgt«, stellte der Reporter fest.
»Das will ich nicht bestreiten«, gab Marissa zu. »Aber ich kann mich jetzt nicht länger mit Ihnen unterhalten; ich bin in Eile.«
Geschickt um den hartnäckigen Mr. Herns herumschlüpfend, trat Marissa durch die sich gerade öffnende Aufzugtür, begab sich zurück in den kleinen Raum hinter dem Schwesternzimmer im fünften Stock und bat von dort aus die Zentrale um die Vermittlung eines R-Gesprächs mit Dr. Dubchek. In Atlanta war es jetzt Viertel vor drei, und sie bekam Dr. Dubchek sofort an den Apparat.
»Na, wie läuft Ihr erster Außenauftrag?« fragte er.
»Nun ja – sagen wir einmal: Es stürzt ziemlich viel auf einen herein«, antwortete Marissa und bemühte sich dann, ihm so gedrängt wie möglich die sieben Fälle zu schildern, die sie bisher kennengelernt hatte, wobei sie nicht verschwieg, daß sie eigentlich noch nichts hatte feststellen können, was den Ärzten der Richter-Klinik nicht auch schon bekannt gewesen sei.
»Das sollte Sie nicht beunruhigen«, meinte Dubchek. »Sie müssen sich immer dessen bewußt sein, daß ein Epidemiologe bestimmte Fakten mit anderen Augen betrachtet als ein behandelnder Arzt, so daß für ihn dieselben Fakten etwas anderes aussagen. Der Kliniker betrachtet jeden Fall für sich, während Sie das Gesamtbild im Auge haben. Schildern Sie mir die Erkrankung.«
Marissa gab einen genauen Überblick über die klinischen Symptome, wobei sie immer wieder ihre Aufzeichnungen zu Hilfe nahm. Es schien ihr, daß es für Dr. Dubchek von besonderem Interesse war, daß zwei der Patienten Blut erbrochen hatten, ein anderer über blutigen Durchfall klagte und drei Blutgerinnsel in der Augenbindehaut hatten. Als Marissa ihm berichtete, daß Dr. Richter an einem Treffen von Augenärzten in Afrika teilgenommen hätte, rief Dubchek aus: »Meine Güte, ist Ihnen klar, was Sie da beschreiben?«
»Nicht so ganz genau«, gab Marissa zurück – es war das herkömmliche Medizinerspielchen: lieber im Ungewissen und unverbindlichen bleiben, als sich bei einer Fehldiagnose erwischen zu lassen.
»Virales hämorrhagisches Fieber«, sagte Dubchek, »und wenn er es aus Afrika eingeschleppt hat, dann wird es Lassa-Fieber sein, wenn nicht gar die Marburg- oder Ebola-Krankheit. Mein Gott!«
»Aber Dr. Richters Aufenthalt dort liegt über sechs Wochen zurück!«
»Verflixt!« sagte Dr. Dubchek fast ärgerlich. »Die längste Inkubationszeit für diese Art plötzlich ausbrechender Erkrankungen beträgt ungefähr zwei Wochen. Sogar für Quarantänemaßnahmen werden zwanzig Tage für ausreichend gehalten.«
»Außerdem wurde Dr. Richter zwei Tage vor dem Auftreten der Symptome von einem Affen gebissen«, setzte Marissa ihren Bericht fort.
»Das ist wieder zu kurz für eine Inkubationszeit. Fünf oder sechs Tage würde passen. Wo ist der Affe jetzt?«
»Er steht unter Quarantäne«, sagte Marissa.
»Das ist gut. Verhindern Sie, daß irgend etwas mit dem Tier geschieht, besonders nicht, wenn es sterben sollte. Wir müssen Virustests mit ihm machen. Wenn der Affe etwas damit zu tun hat, müssen wir vom Marburg-Virus ausgehen. Jedenfalls sieht mir das ganz nach einem viralen hämorrhagischen Fieber aus, und ehe nicht das Gegenteil bewiesen ist, sollten wir davon ausgehen. Wir hatten ohnehin seit geraumer Zeit befürchtet, daß so etwas einmal ausbricht. Das Schlimme ist nur – es gibt derzeit noch keinen Impfstoff dagegen, und auch Behandlungsmöglichkeiten sind nicht bekannt.«
»Wie steht es mit der Sterblichkeitsrate?« fragte Marissa.
»Sie ist hoch. Sagen Sie, hat Dr. Richter einen Hautausschlag?«
Marissa konnte sich nicht daran erinnern. »Ich werde das nachprüfen.«
»Als erstes muß ich Sie darum bitten, sofort zum Ansetzen von Testkulturen bei allen sieben Fällen Blut- und Urinproben sowie Gaumenabstriche machen zu lassen und das alles so schnell wie möglich hierher ans CDC zu schicken. Benutzen Sie dafür den Flugfrachtdienst von Delta Airlines für Kleinsendungen, das ist sicher der schnellste Weg. Machen Sie bitte höchstpersönlich die Blutabnahmen, und seien Sie um Gottes willen vorsichtig dabei. Und machen Sie das bitte auch bei dem
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