Virus
geweckt hatte, als vor allem auch dafür, daß sie sich nicht mit ihm vor ihrem Abflug aus Atlanta in Verbindung gesetzt hatte. Nachdem sie ihm kurz berichtet hatte, was vorgefallen war, sagte Ralph, er würde ihr nur verzeihen, wenn sie verspräche, jeden zweiten Tag bei ihm anzurufen, um ihn auf dem laufenden zu halten; Marissa versprach es.
Sie kehrte zur Isolationsstation zurück und nahm sich dort die Unterlagen über die beiden anderen Fälle vor. Es handelte sich dabei um eine Carol Montgomery und einen Dr. Brian Cester. Beide waren eingeliefert worden mit hohem Fieber, schlimmen Kopfschmerzen und starken Unterleibskrämpfen. Obwohl diese Symptome alles mögliche bedeuten konnten, gab ihre Heftigkeit doch ausreichenden Grund zur Besorgnis. In keinem der beiden Unterlagenmäppchen fand sich ein Hinweis auf Reisen oder Kontakt mit Tieren.
Nachdem sie das nötige Material für die Entnahme von Proben zusammengesucht hatte, legte Marissa wieder Schutzkleidung an und suchte Carol Montgomery auf. Die junge Frau war ein Jahr älter als Marissa, und es fiel dieser schwer, den Gedanken zu verdrängen, daß sie selbst genauso daliegen könnte. Die Patientin war eine für eine große Unternehmensgruppe in der Stadt tätige Juristin. Obwohl sie bei klarem Bewußtsein war und auch fähig, zu sprechen, war es doch deutlich, daß sie schwer krank war.
Marissa fragte sie nach Reisen in letzter Zeit – die Antwort war Nein. Die nächste Frage lautete, ob sie Dr. Zabriski kenne. Und die Antwort war Ja – Dr. Zabriski sei ihr Augenarzt. Ja, sie sei kürzlich bei ihm gewesen, und zwar vor vier Tagen. Marissa entnahm die entsprechenden Virusproben und verließ den Raum mit schwerem Herzen. Sie haßte es, eine Diagnose für eine Krankheit stellen zu müssen, für die es keine Behandlung gab. Die Tatsache, daß sie sich Informationen hatte beschaffen können, die auf die Gemeinsamkeiten mit dem ersten Ausbruch der Krankheit verwiesen, war nur ein schwacher Trost. Außerdem riefen diese Informationen ihr wieder eine Frage ins Gedächtnis, die schon in Los Angeles ungeklärt geblieben war: Warum wurden bestimmte Patienten Dr. Richters von der Krankheit befallen und andere nicht?
Nachdem sie frische Schutzkleidung angelegt hatte, besuchte Marissa Dr. Brian Cester. Sie stellte die gleichen Fragen und erhielt die gleichen Antworten, mit einer Ausnahme – er war nicht Patient von Dr. Zabriski.
»Nein«, sagte Dr. Cester, nachdem ein heftiger Anfall von Bauchkrämpfen abgeklungen war, »ich war überhaupt noch nie bei einem Augenarzt.«
»Arbeiten Sie vielleicht mit ihm zusammen?« bohrte Marissa weiter.
»Gelegentlich bin ich als Anästhesist für ihn tätig«, antwortete Dr. Cester. Erneut verkrampfte sich sein Gesicht vor Schmerz. Nachdem er sich wieder etwas erholt hatte, fügte er hinzu: »Zum Tennisspielen treffe ich mich eigentlich öfter mit ihm als zu gemeinsamer Arbeit. Tatsächlich habe ich gerade vor vier Tagen zuletzt mit ihm gespielt.«
Nachdem sie die entsprechenden Proben entnommen hatte, verließ Marissa den Mann, unsicherer als je zuvor. Sie war gerade soweit gewesen, daß sie davon ausging, Voraussetzung für die Übertragung sei enger Kontakt, vorzugsweise über die Schleimhäute. Gemeinsames Tennisspiel paßte nun nicht sonderlich zu dieser These.
Nachdem sie den zweiten Satz von Proben für die Versendung abgefertigt hatte, wandte sich Marissa noch einmal den Krankenunterlagen von Dr. Zabriski zu. Sie ging minutiös die Krankheitsgeschichte durch und legte die gleiche Übersicht an wie seinerzeit für Dr. Richter. Sie ergänzte sie um die Informationen, die sie von Dr. Zabriskis Frau und seiner Sekretärin erhalten hatte, wobei es ihr klar war, daß sie beide noch mal sprechen mußte. Wenn das damals auch nicht zur Feststellung des Reservoirs des Virus, der die Epidemie in Los Angeles verursacht hatte, geführt hatte, so hoffte Marissa doch, über die Tatsache hinaus, daß die beiden Ärzte an dieser Tagung in San Diego teilgenommen hatten, auf diesem Wege irgendeine weitere Übereinstimmung aufzuspüren.
*
Mitternacht war vorüber, als Dubchek, Vreeland und Layne eintrafen. Marissa war erleichtert, sie zu sehen, besonders weil Dr. Zabriskis Zustand sich weiter verschlechtert hatte. Der für ihn zuständige Arzt hatte verlangt, eine routinemäßige Blutuntersuchung durchzuführen, die im Hinblick auf den Flüssigkeitshaushalt des Patienten notwendig war, und Marissa sah sich vor dem Konflikt
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