Virus
anderen Leute vom Fachpersonal mit ins Hochsicherheitslabor mitnehmen dürfe, und so konnte er sich jedenfalls immer damit herausreden, daß er von einem entsprechenden Verbot nichts gewußt habe. Obwohl es ihm klar war, daß Marissa ihn einwickelte, war es ihm doch unmöglich, ihrem Charme zu widerstehen. Außerdem war er stolz auf seine Arbeit, und es tat ihm gut, sie vorführen zu können. Er war überzeugt davon, daß sie davon beeindruckt sein würde.
»Also von mir aus«, sagte er. »Wann willst du gehen?«
»Warum nicht gleich jetzt?« fragte Marissa.
Tad blickte auf die Uhr. »Na ja, eigentlich ist’s egal, ob wir jetzt gehen oder ein andermal.«
»Und hinterher gönnen wir uns irgendwo einen Schluck. Diesmal bin ich an der Reihe!« schloß Marissa.
Sie nahm ihre Tasche und bemerkte noch, daß Tads Schlüssel und seine Einlaßkarte nebeneinander auf einem Regal gleich neben der Tür lagen.
Während sie in Marissas Wagen zum Seuchenkontrollzentrum fuhren, erläuterte ihr Tad des langen und breiten seine letzten Untersuchungen. Marissa hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. Sie war dort im Labor an ganz anderen Dingen interessiert.
Wie beim vorigen Mal trugen sie sich am Haupteingang des Seuchenkontrollzentrums ein und gingen zum Aufzug, als ob sie in Marissas Büro wollten. Sie fuhren zum entsprechenden Stockwerk hinauf, liefen dann aber wieder die Treppen hinunter und gingen über den Steg zum Virologiebau hinüber.
Noch bevor Tad die mächtige Stahltür zu öffnen begann, nannte Marissa die Codenummer: 43-23-39.
Tad warf ihr einen respektvollen Blick zu. »Meine Güte, was für ein tolles Gedächtnis!«
»Na«, meinte Marissa, »hast du denn vergessen, daß das genau meine Maße sind!«
Tad prustete los angesichts Marissas zierlicher Figur im Verhältnis zu diesen üppigen Abmessungen. Als er die Lichter und die Kompressoren im äußeren Bereich einschaltete, verspürte Marissa das gleiche Unbehagen wie bei ihrem ersten Besuch. Es lag etwas Beängstigendes über diesem Labor – irgendwie in der Art eines Science-Fiction-Films. In den Umkleideräumen schlüpften sie erst schweigend in die Arbeitsanzüge aus weißem Baumwollstoff, dann in die unförmigen Plastikschutzanzüge. Unter Tads Anleitung schloß Marissa ihren Luftschlauch an der Steckbuchse an.
»Du machst das schon wie ein alter Profi«, sagte Tad, als er die Lichter im inneren Laboratorium einschaltete, und bedeutete ihr dann, den Luftschlauch wieder zu lösen und in den nächsten Raum zu gehen. Als sie in der kleinen Kammer, wo sie dann vor dem Verlassen des Labors ihre Phenoldesinfektionsdusche bekommen würden, auf Tad wartete, verspürte sie einen lästigen Anflug von Platzangst. Sie setzte sich innerlich dagegen zur Wehr, und er ließ nach, als sie das geräumige Hauptlabor betraten. Dabei kam ihr auch ihrejetzige Arbeit mit Viren zu Hilfe, durch die ihr inzwischen vieles von der Laborausstattung vertraut war. Das galt zum Beispiel für die Brutkästen für die Gewebekulturen und auch die Geräte für die Chromatographie. »Hier herüber«, rief Tad, nachdem sie sich wieder an einer Anschlußbuchse eingehakt hatten. Er führte sie vor einen der Experimentiertische, auf dem ein kompliziertes System aus gläsernen Röhren, Kolben und Behältern aufgebaut war, und begann ihr zu schildern, wie er RNS, die Ribonukleinsäure, und die Capsidproteine, also die aus der Virushülle, aus den Ebola-Viren herauszog.
Marissas Gedanken schweiften ab. Was sie hier wirklich sehen wollte, war der Platz, wo die Ebola-Viren gelagert wurden. Sie schielte nach der verriegelten Isoliertür. Wenn sie raten sollte, würde sie darauf tippen, daß das irgendwo dort drinnen wäre. Sobald Tad eine Pause machte, fragte sie ihn, ob er ihr nicht mal zeigen könne, wo sie die Viren aufbewahrten.
Er zögerte für einen Augenblick und sagte dann, in Richtung auf die Isoliertür deutend: »Dort drüben!«
»Kann ich’s mal sehen?« fragte Marissa.
Tad zuckte die Achseln und bedeutete ihr dann, ihm zu folgen. Er watschelte mit ihr zur Wand mit der Isoliertür, zeigte aber dann auf einen Kasten neben einem der Inkubatoren für die Gewebekulturen.
»Da drin?« fragte Marissa, zugleich überrascht und enttäuscht. Sie hatte sich ein gewichtigeres Behältnis vorgestellt, mit Sicherheitsschlössern und hinter einer sorgsam verriegelten Tür.
»Das sieht genau aus wie die Kühltruhe meiner Eltern!«
»Es ist auch einfach eine Kühltruhe«, sagte Tad. »Wir haben sie
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