Virus
betastete seinen Kopf. »Als ich wieder auf die Beine kam, war der Bursche schon draußen. Ein Auto hat auf ihn gewartet.«
Marissa führte Tad in die Küche und kühlte die Seite seines Kopfes, auf die er den Schlag erhalten hatte, mit einem nassen Handtuch. Es war nur eine oberflächliche Hautabschürfung zu erkennen.
»Sein Arm fühlte sich an wie eine Keule«, sagte Tad.
»Du hast Glück gehabt, daß es dich nicht schlimmer erwischt hat. Du hättest ihm nicht nachlaufen sollen. Wenn er jetzt eine Pistole gehabt hätte?«
»Ich hatte nicht die Absicht, mich als Held aufzuspielen«, meinte Tad. »Und alles, was er dabeihatte, war eine Aktentasche!«
»Eine Aktentasche? Welcher Einbrecher trägt denn eine Aktentasche mit sich herum?«
»Er war sogar gepflegt gekleidet«, antwortete Tad. »Das muß ich ihm wirklich zubilligen.«
»Konnten Sie ihn deutlich genug erkennen, um ihn vielleicht zu identifizieren?« fragte Mr. Judson.
Tad zuckte die Schultern. »Da hätte ich meine Zweifel. Es ging alles so schnell.«
Aus der Ferne hörten sie das näher kommende Geräusch einer Polizeisirene. Mr. Judson schaute auf seine Uhr. »Na, die kommen wirklich ziemlich schnell.«
»Taffy!« schrie Marissa, der plötzlich wieder der Hund eingefallen war. Sie rannte ins Wohnzimmer zurück, gefolgt von Tad und Mr. Judson.
Der Hund hatte sich nicht gerührt, und Marissa beugte sich hinunter, um ihn behutsam hochzuheben. Sein Kopf baumelte kraftlos – man hatte ihm das Genick gebrochen.
Bis zu diesem Augenblick hatte es Marissa geschafft, ihreGefühle unter Kontrolle zu halten. Jetzt aber begann sie hysterisch zu weinen. Mrs. Judson redete auf sie ein, doch den Hund wieder hinzulegen, und Tad schlang seine Arme um sie und versuchte, so gut es ging, sie zu trösten.
Mit eingeschaltetem Blaulicht hielt der Polizeiwagen, und zwei Polizisten in Uniform betraten das Haus. Auf Marissa wirkten sie einfühlsam und tüchtig. Sie fanden schnell heraus, daß der Einbrecher durch das eingeschlagene Fenster im Wohnzimmer eingedrungen war, und erklärten Marissa, warum dabei der Alarm nicht ausgelöst wurde: Der Mann hatte die Scheibe ausgeschnitten und war hindurchgestiegen, ohne den Rahmen zu bewegen, also das Schiebefenster hochzuschieben.
Dann nahmen die Polizeibeamten systematisch alle irgendwie wesentlichen Informationen über den Vorfall auf. Leider konnte weder Marissa noch Tad eine sonderlich genaue Beschreibung des Eindringlings liefern, mit Ausnahme des offenbar steifen Arms. Auf die Frage, ob irgend etwas fehle, mußte Marissa bekennen, daß sie noch nicht nachgeschaut habe. Als sie von Taffy berichtete, kamen ihr wieder die Tränen. Die Polizisten fragten, ob man sie ins Krankenhaus bringen solle, aber sie lehnte ab. Bevor sie gingen, versicherten sie, daß sie sich wieder melden würden. Auch Mr. Judson ging, nicht ohne zu sagen, daß sie sich in jedem Fall an ihn wenden solle, wenn sie irgend etwas brauche; auch um das, was jetzt mit Taffy geschehen müsse, würde er sich kümmern. Und auch was das Fenster betreffe, wolle er sehen, daß man das morgen in Ordnung bringen könne.
Plötzlich waren Tad und Marissa allein; sie saßen sich am Küchentisch einander gegenüber, und die Einkaufstüten lagen unausgepackt zwischen ihnen.
»Das tut mir alles so leid«, sagte Marissa und rieb sich den schmerzenden Kopf.
»Nun red aber keinen Unsinn!« gab Tad zurück. »Gehen wir doch einfach irgendwohin zum Essen!«
»Nein, ich bin wirklich nicht in der Stimmung, jetzt in irgendein Restaurant zu gehen. Aber hier kann ich auch nicht bleiben. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir zu dir gingen?«
»Überhaupt nicht! Komm, gehen wir!«
»Einen kleinen Moment noch bitte«, antwortete Marissa. »Ich will mich nur schnell umziehen.«
KAPITEL 10
20. Mai
Es war Montag morgen, und Marissa war von einem Gefühl der Angst beherrscht. Sie hatte kein gutes Wochenende hinter sich. Der Freitag war der schlimmste Tag in ihrem Leben gewesen, beginnend mit dem Auftritt bei Dubchek und endend mit dem Überfall auf sie und der Tötung Taffys. Unmittelbar nach dem Überfall hatte sie sich bemüht, ihre Erregung darüber zu dämpfen, aber dafür war sie dann später um so schlimmer gewesen. Sie hatte bei Tad das Abendessen für sie beide bereitet und war dann in seiner Wohnung geblieben, aber es war ein verzweifelter Abend gewesen voller Tränen und Wut auf den Eindringling, der ihren Hund getötet hatte.
Auch am Samstag war sie
Weitere Kostenlose Bücher