Virus
sie zum Telefon und rief bei den Delta-Fluglinien an, um sich einen Platz im nächsten Flugzeug nach Washington D. C. reservieren zu lassen.
*
»Gleich am Eingang ist ein Informationsstand!« rief ihr der kenntnisreiche Taxifahrer noch zu, während sie schon die Treppen des Cannon-Baus hinaufstürmte.
Zunächst mußte sie durch eine Schleuse mit Metalldetektoren, und dann prüfte ein uniformierter Wachmann den Inhalt ihrer Tasche. Als sie nach dem Büro des Abgeordneten Markham fragte, erhielt sie die Auskunft, es befinde sich im vierten Stock. Während sie dem ihr gewiesenen Weg folgte, der ziemlich kompliziert war, da der Hauptaufzug offenbar nur bis zum dritten Stockwerk reichte, war Marissa von der allgemeinen Unansehnlichkeit im Innern des Gebäudes betroffen. Sie fand es befremdlich, daß die Wände im Aufzug sogar mit Kritzeleien beschmiert waren.
Trotz des verwirrenden Weges hatte sie keine Mühe, Markhams Büro zu finden. Die äußere Tür stand einenkleinen Spalt offen, und so spazierte sie einfach, ohne weiter zu fragen, hinein in der Hoffnung, daß ein gewisser Überraschungseffekt günstig für sie sei. Dummerweise aber war der Abgeordnete gar nicht in seinem Büro.
»Er ist in Houston und wird vor Ablauf von drei Tagen nicht zurückerwartet«, informierte eine Sekretärin sie. »Möchten Sie vielleicht einen Termin vereinbaren?«
»Ich bin mir nicht sicher«, meinte Marissa und kam sich ein bißchen blöd vor – da flog sie nun den weiten Weg von Atlanta her und hatte nicht einmal festzustellen versucht, ob der Mann überhaupt in der Stadt, geschweige denn für ein Gespräch verfügbar war.
»Möchten Sie vielleicht mit Mr. Abrams sprechen, seinem Assistenten?«
»Ja, ich glaube schon«, antwortete Marissa. In Wahrheit hatte sie sich nicht einmal Gedanken darüber gemacht, wie sie Markham gegenübertreten sollte. Wenn sie ihn einfach fragen würde, ob er vielleicht Dubchek einen Gefallen hatte erweisen wollen, indem er sich etwas einfallen ließ, um sie von der Ebola-Sache abzuziehen, würde er das sicherlich abstreiten. Während sie immer noch in Gedanken war, trat ein ernster junger Mann auf sie zu und stellte sich als Michael Abrams vor. »Was kann ich für Sie tun?« fragte er freundlich und streckte die Hand zur Begrüßung aus. Er wirkte wie etwa Mitte Zwanzig, hatte dunkles, fast schwarzes Haar und ein breites Grinsen, das, wie Marissa argwöhnte, wohl nicht so ganz aufrichtig war, wie es auf den ersten Blick schien.
»Können wir uns hier irgendwo ungestört unterhalten?« fragte sie ihn. Sie standen nämlich direkt vor dem Schreibtisch der Sekretärin.
»Aber natürlich«, antwortete Michael. Er führte sie in das Büro des Abgeordneten, einen weit hinauf getäfelten Raum mit einem Mahagoni-Schreibtisch, auf dessen einer Seite eine Flagge der Vereinigten Staaten stand und auf dessen anderer eine des Staates Texas. Die Wände warendicht bedeckt mit gerahmten Fotos, die den Abgeordneten händeschüttelnd mit einer Menge berühmter Leute zeigten, darunter alle Präsidenten der letzten Amtsperioden.
»Ich bin Dr. Blumenthal«, begann Marissa, nachdem sie Platz genommen hatte. »Sagt Ihnen dieser Name etwas?«
Michael Abrams schüttelte den Kopf und fragte freundlich: »Sollte er das?«
»Vielleicht«, gab Marissa zurück und war sich unschlüssig über ihr weiteres Vorgehen.
»Sind Sie aus Houston?« fragte Michael.
»Nein, ich komme aus Atlanta«, erwiderte Marissa. »Vom dortigen Seuchenkontrollzentrum.« Sie wartete gespannt auf eine irgendwie außergewöhnliche Bemerkung – aber sie blieb aus.
»Vom Seuchenkontrollzentrum«, wiederholte Michael. »Sind Sie in einem offiziellen Auftrag da?«
»Nein«, antwortete Marissa. »Mich interessieren die Verbindungen des Herrn Abgeordneten zum CDC. Zählt es irgendwie zu seinem besonderen Aufgabenbereich?«
»Ich weiß nicht, ob ›besonderer Aufgabenbereich‹ der richtige Ausdruck ist«, sagte Michael vorsichtig. »Der Herr Abgeordnete befaßt sich mit allen Bereichen des öffentlichen Gesundheitswesens. In der Tat hat Abgeordneter Markham mehr Gesetze auf dem Gebiet des Gesundheitswesens in Gang gebracht als jeder andere Abgeordnete. In letzter Zeit hat er die Bemühungen um Beschränkung der Zulassung von Absolventen ausländischer Institute unterstützt, das Gesetz zur obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit wegen Berufsvergehen, ein Gesetz zur bundeseinheitlichen Regelung der Obergrenzen für Nebeneinkünfte, ein Gesetz,
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