Vision - das Zeichen der Liebenden
Weißt du, wie? Er hat Arion getötet! Die Drakul hielten ihn seit dem letzten Krieg mit den Wächtern gefangen und doch ist ihnen in all der Zeit nicht gelungen, wofür Alex nur wenige Minuten gebraucht hat.«
Davids Augen weiteten sich vor Überraschung. »Aber das bedeutet… das kann doch nur heißen, dass er der Letzte ist, oder?«
»Ich weiß es nicht.« Jana hob die Schultern. »Ober geht davon aus. Alles ging blitzschnell. Ich dachte, wenn Alex wirklich einer der Wächter ist, würden sie ihn retten. Die Festung war ungeschützt, sie konnten also hinein, ich musste sie nur rufen… Es war so leicht. Und ich dachte, es wäre die Gelegenheit, den Drakul eins auszuwischen.«
David stieß ein Lachen aus, das in der Kuppel des Vorraums dumpf widerhallte. »Ja und nebenbei auch allen anderen. Du hast uns alle in Gefahr gebracht, Jana. Das war total hirnrissig von dir… Du kannst erzählen, was du willst, aber mir machst du nichts vor. Du hast es allein für Alex getan, weil du ihn retten wolltest.«
Wieder zuckte Jana die Achseln. »Und wennschon, wenigstens das hab ich geschafft. Ich glaube, er ist mit ihnen gegangen, David. Was soll nur werden, wenn er doch der Letzte ist?«
»Ich verstehe nicht, wie du so dumm sein konntest, dich erwischen zu lassen.« David ignorierte Janas Frage völlig. »Das Fluchtportal war doch vorbereitet.«
»Ich war abgelenkt. Egal, das ist jetzt nicht mehr wichtig. Wichtig ist, dass Erik im Sterben liegt und dass Ober uns einen Handel vorschlägt. Du weißt ja, worum es geht. Das ist unsere Chance, meinst du, du kriegst das hin?«
David nickte ernst. »Aber es wird unangenehm werden, Jana«, sagte er. »Wenn du willst, kannst du hier warten, bis alles vorbei ist.«
»Nein. Ich geh mit dir rein. Schließlich bin ich schuld an der ganzen Sache… Ich will dabei sein, wenn sie beendet wird.«
David wollte etwas erwidern, als der Drakul-Priester den Kopf durch die Tür steckte. Die beiden Wachen drehten nicht einmal den Kopf. »Ihr könnt reinkommen. Mein Gebieter Ober ist bereit.«
Im Zimmer herrschte beklemmendes Zwielicht, nur ein paar Tischlampen sorgten für vereinzelte schwache Lichtpunkte. Die Wände waren mit Postern von Hip-Hop-Bands und alten Schallplatten dekoriert, in einer Ecke lehnte eine rote E-Gitarre neben einem Verstärker… All das bildete einen merkwürdigen Kontrast zu dem altmodischen Himmelbett mit den schweren violetten Brokatvorhängen in der Mitte des Raumes. Eriks Gesicht war im Schatten der Vorhänge nicht zu erkennen, aber aus den reglos auf der weißen Decke ruhenden Händen schloss Jana, dass er bewusstlos war.
Links davon stand eine Art Krankenhausbett mit Rädern. Ober saß darauf, nur in einen Morgenmantel aus purpurroter Seide gehüllt. Den Blick auf Jana und David gerichtet, öffnete er die obersten Knöpfe des Morgenmantels. »Na, dann sind wir ja jetzt vollzählig«, bemerkte er sarkastisch. »Harold, der Becher… Jetzt, wo diese Agmar-Schlangen hier sind, will ich den Abschied nicht länger hinauszögern. Je schneller ich das Bewusstsein verliere, desto besser. Los, worauf wartest du? Bring mir den Becher, habe ich gesagt!«
Die Hände des Priesters zitterten, als er dem Anführer der Drakul einen kostbar verzierten Silberkelch reichte. Ober ergriff den Kelch, leerte ihn in einem Zug und schleuderte ihn dann achtlos in eine Ecke. Offen sah er David ins Gesicht. »Das Betäubungsmittel wird bald wirken. Dann kannst du ungehindert arbeiten. Du kannst es wahrscheinlich kaum erwarten, nehme ich an. Was für eine Ironie! Ausgerechnet die Drakul verschaffen dir eine Gelegenheit, dich selbst zu übertreffen.«
David nickte. »Du hast recht, ich kann es kaum erwarten«, gab er offen zu. »Aus vielen Gründen…«
Schwerfällig stand Ober auf, er schien auf einen Schlag mindestens fünfzehn Jahre gealtert zu sein. »Sieh dich vor«, sagte er, während er neben das Himmelbett trat. »Unsere Niederlage bedeutet noch lange nicht euren Sieg. Deine Schwester hat eine große Dummheit begangen. Aber wenn Erik durchkommt, haben die Medu vielleicht noch eine Chance.«
Ohne eine Reaktion abzuwarten, schob er die Vorhänge beiseite und setzte sich neben seinen Sohn. Mit einer Zärtlichkeit, die Jana ihm nicht zugetraut hätte, griff er nach Eriks Hand. »Es tut mir so leid, mein Junge«, sagte er, die Augen unverwandt auf das Gesicht im Schatten gerichtet. »Wir haben uns nicht immer gut verstanden. Ich hoffe, das, was ich jetzt tue, gleicht das
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