Vision - das Zeichen der Liebenden
ein Nachfahre von Zephyr! Ein seltsamer Zufall, findest du nicht?«
»Vielleicht fühlen wir Kurilen uns von den Agmar-Frauen besonders angezogen«, erwiderte Alex ruhig. »Das mag den Drakul anders gehen… oder etwa nicht?«
Obers Augen blitzten kalt auf. Er weiß genau, was ich meine, dachte Alex . Aber er hasst mich dafür, dass ich ihn daran erinnert habe. Vielleicht ist er doch nicht so sicher, wie er tut… Oder hat er nicht begriffen, dass ich Erik meine, sondern denkt, ich spiele auf ihn selbst an?
»Der Unterschied besteht darin, dass wir Drakul in all den vergangenen Jahrtausenden die Pflicht immer über unsere Gefühle gestellt haben«, entgegnete Ober langsam. »Was man von deinen Vorfahren nicht behaupten kann.«
»Vielleicht verstehen wir einfach das Wort ›Pflicht‹ unterschiedlich.«
Ein herablassendes Lächeln umspielte Obers Lippen. »Mag sein. Aber ich habe dich nicht hergeholt, um über philosophische Fragen zu diskutieren. Ich muss herausfinden, ob du die magischen Fähigkeiten deines Klans geerbt hast oder nicht. Wenn es noch irgendjemanden auf der Welt gibt, der auf dem Wind reiten und in Zephyrs Buch lesen kann, dann du.«
Alex musste an seine Schwester denken. Laura stammte wie er selbst von Zephyr ab. Es war also theoretisch denkbar, dass auch in ihr die Kräfte der Kurilen schlummern. Nur er wusste, was sein Vater ihm gesagt hatte: dass sie ein Mensch war, keine Medu. Ober dagegen ging höchstwahrscheinlich vom Gegenteil aus. Wenn er sich ihm jetzt widersetzte, brachte er Laura damit in Gefahr? Würde der Anführer der Drakul dann nicht mit größter Wahrscheinlichkeit sofort versuchen, seine Pläne mit ihrer Hilfe umzusetzen? Allein der Gedanke jagte Alex einen Schauer über den Rücken. Unter keinen Umständen durfte seine Schwester in die Sache hineinzogen werden!
»Wenn der Letzte zurückkehrt, müssen wir gewappnet sein. Wir haben das Schwert und seit heute wissen wir, dass nicht Pertinax, sondern Jana den Stein besitzt. Jetzt fehlt nur noch das Buch… Und das können wir nur mit deiner Hilfe an uns bringen und verwenden.«
Alex nickte. »Okay. Ich werde tun, was ich kann. Aber trotzdem ist es möglich, dass ich die Fähigkeiten meines Vaters doch nicht geerbt habe.«
»Wie gesagt, genau das werden wir herausfinden. Dafür musst du eigentlich nur eins tun: das Netjer-Labyrinth durchqueren. Garo wird dich zum Eingang führen. Den Ausgang dagegen findest du nur, wenn deine Visionen dir helfen. Andernfalls wirst du dich darin verirren und sterben.«
Alex lachte auf. »Danke für die deutlichen Worte. Die Aussicht ist so verlockend – wer könnte da Nein sagen?«
Ober betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn. »Ich habe Erik versprochen, dir nichts vorzumachen«, knurrte er. »Das ist deine Chance herauszufinden, ob du die Kunst deines Vaters geerbt hast. Oft zeigt sich unsere Magie erst in Grenzsituationen. Wenn du die Zukunft sehen kannst, findest du den Ausgang aus dem Labyrinth, wenn nicht… Dann wäre alles vorbei, so leid es mir tun würde.«
»Und wie kommst du auf die Idee, ich würde mich auf so eine Kamikaze-Aktion einlassen?«
»Ich könnte dich dazu zwingen. Aber das wird gar nicht nötig sein. Nein, es ist viel besser, du gehst freiwillig… Und das wirst du auch tun. Weil du Jana liebst und weil sie zu unserem Volk gehört. Wenn der Letzte zurückkehrt und wir ihm unterliegen, geht Jana unweigerlich mit uns allen zugrunde. Und mein Gefühl sagt mir, dass du das bestimmt verhindern möchtest. Habe ich recht?«
Alex war das Lachen vergangen. Wie hypnotisiert folgten seine Augen den Wellenbewegungen, die von dem Rubinboden unter seinen Füßen ausgingen. Er hatte immer mehr das Gefühl, in einer kleinen Kristallkapsel im Inneren eines Körpers, eines lebendigen Organismus, zu stehen.
Jana, die ihn so oft angelogen hatte, die versucht hatte, ihn aus der ganzen Sache herauszuhalten, die nie ihm gehören konnte, weil ein unerklärliches Muster auf seiner Haut sie beide daran hinderte, sich zu berühren – Jana war in Gefahr und er konnte etwas für sie tun. Auch wenn das bedeutete, alle Medu zu retten, dieses düstere Volk von Schatten, das die Menschen seit Jahrhunderten mit der Magie der Symbole und Worte zu manipulieren schien.
Eriks letzte Worte kamen ihm wieder in den Sinn, kurz bevor sie die Festung betreten hatten. Er an seiner Stelle würde es riskieren. Er würde alles tun, um Jana zu retten.
Alex war sicher, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Aber wie
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