Vision - das Zeichen der Liebenden
ein weiterer Beweis seiner Zauberkräfte.
»Wir hätten Alma gebraucht, um den Letzten zu besiegen«, gab Eriks Vater zu. Sein Blick schien die rote Wand zu durchdringen und ins Leere zu gehen, als werde er von einer schmerzlichen Erinnerung gequält. »Ich habe alles getan, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Und dennoch hat sie mich verraten. Mir blieb nichts anderes übrig, als sie auszuschalten. Glaub mir, es ist mir nicht leichtgefallen. Es war ein Gefühl, als würde ich mir die eigene Hand abhacken… Aber was sollte ich tun? Ihr grenzenloser Ehrgeiz hat die Existenz unseres ganzen Volkes gefährdet! Wenn ich dir die Bedeutung der Vision erkläre, wirst du es besser verstehen.«
Beide schwiegen. Ober hatte die Augen weiter starr auf die Wand gerichtet, er schien sich die nächsten Worte genau zurechtzulegen. »Das letzte Mal, als wir es mit den Wächtern aufnehmen mussten, war im fünfzehnten Jahrhundert. Sie standen kurz davor, uns zu besiegen. Der Letzte hieß damals Arion und war mächtiger als alle anderen Wächter zuvor. Um Aranox an sich zu bringen, schloss Drakul, mein Vorfahre, einen Pakt mit ›den Vergessenen‹, einigen alten Dämonen. Die Gegenleistung, die er dafür erbringen musste, war unvorstellbar hart, doch er wusste, dass er keine Wahl hatte, wenn er sein Volk retten wollte. Trotzdem behielten die Wächter im Krieg die Oberhand – bis Zephyr und die junge Frau, die mit ihm geflüchtet war, zurückkehrten. Die letzten Kurilen, verstehst du? Sie boten Drakul ihre Hilfe an und verlangten im Gegenzug, im Falle eines Sieges ihren Klan wieder aufbauen zu dürfen. Sie konnten auf dem Wind reiten und besaßen alles, was man dazu brauchte: das letzte Buch der Kurilen und den Sarasvati. Und durch die Verbindung von Schwert, Buch und Stein gelang es den Medu kurz darauf tatsächlich, den Letzten zu schlagen.«
Alex betrachtete Obers finsteres Gesicht, in dessen Augen rubinrote Funken sprühten.
»Die Vision, die Jana herbeigerufen hat, zeigte genau diesen glorreichen Moment. Die anderen Anführer konnten es nicht begreifen, denn die Klane haben nie von dieser besonderen Zusammenarbeit zwischen den Kurilen und den Drakul erfahren. Dafür hat Drakul persönlich gesorgt.«
»Warum?«
Ober antwortete nicht sofort. »Sagen wir, er hat sein Versprechen nicht ganz gehalten. Nach dem Sieg über den Letzten erlaubte er Zephyr, seinen Klan wieder aufzubauen. Aber er stellte ihm eine Bedingung: Zephyr sollte nie wieder auf dem Wind reiten. Sie hatten uns schon genug Probleme beschert, verstehst du?«
»Gerade hast du gesagt, die Kurilen hätten die Medu vor dem Untergang bewahrt.«
»Das stimmt, aber als die Gefahr überstanden war, dachte Drakul nicht länger an den Letzten. Vielleicht hat er gehofft, er hätte ihn ein für alle Mal ausgeschaltet, dass wir nie wieder gegen ihn antreten müssten. Ich weiß es nicht. Er hatte ganz andere Sorgen… Wenn die Kurilen ihren Klan mit ihrem alten Namen und ihrer alten Macht wieder aufbauten, würden sie früher oder später Anspruch auf den Thron erheben. Und das wollte Drakul natürlich verhindern, schließlich hatte er einen hohen Preis für seine Vormachtstellung bei den Medu bezahlt. Also verlangte er von Zephyr, darauf zu verzichten, die Zukunft zu beherrschen. Nur dann sollte er wieder in die Gemeinschaft zurückkehren können. Aber Zephyr weigerte sich.«
»Das hat Jana mir erzählt«, sagte Alex. »Damals wurde Zephyr zum Verbannten.«
»Genau genommen war das ein bisschen später. Als Drakuls Nachfolger den Thron bestieg, bestand seine erste Amtshandlung darin, Zephyr aus der Gemeinschaft der Medu zu verstoßen. Zephyrs Verlobte dagegen wollte sein Schicksal nicht teilen. Sie hatte ihre eigenen Pläne. Aus diesem Grund traf sie eine Vereinbarung mit den Drakul: Sie würde einen eigenen Klan gründen und dafür auf die Beeinflussung der Zukunft und auf einen großen Teil ihrer magischen Fähigkeiten verzichten. So kam es auch. Und doch gelang es ihr, sowohl Zephyr als auch die Drakul zu hintergehen, indem sie den Sarasvati behielt. Ohne die Bücher der Kurilen konnte man mit dem Stein zwar nicht auf dem Wind reiten, aber man war damit immerhin noch in der Lage, bestimmte Visionen der Zukunft und der Vergangenheit herbeizurufen. Jana hat es uns heute ziemlich eindrücklich vorgeführt.«
»Das heißt, diese Frau, Zephyrs Verlobte, war Agmar…?«
»Ja. Sie hat ihn verraten. Und so wie ich das sehe, hast du dich in ihre Nachfolgerin verliebt – du,
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