Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann
herausgefunden?
Wahrscheinlich nicht, dachte Kaitlyn, sonst hätte Joyce mich nicht geschickt. Vielleicht nützt es, dass ich im Netz Schutzschilde aufgebaut habe. Aber ich muss vorsichtig sein – ein falscher Schritt – und …
»Pass auf, dass du keinen Strafzettel bekommst«, warnte sie Gabriel, als er mal wieder quietschend um eine Kurve raste.
Keine Antwort. Toll. Er sprach wieder nicht mit ihr.
»Habe ich bestanden?«, fragte Kaitlyn.
Joyce sah sie überrascht an.
»Wie meinst du das?«
»Es war doch ein Test, oder etwa nicht? Habe ich bestanden, oder bin ich durchgefallen? Ich habe ja nicht viel zu tun gehabt.«
In den frühen Morgenstunden saßen sie in Joyce’ Zimmer und tranken Kräutertee. Renny und Frost waren nach oben gegangen, um etwas Stärkeres zu sich zu
nehmen. Gabriel hatte sie begleitet, ohne Kait auch nur eines Blickes zu würdigen.
»Ja, es war ein Test«, sagte Joyce schließlich. »Das Geld können wir gut gebrauchen, aber ich musste auch sicherstellen, ob wir uns wirklich auf dich verlassen können. Jetzt gehörst du zum Team. Falls du glaubst, uns in die Quere kommen zu müssen, dann denk daran, dass du an einer Straftat beteiligt warst. Die Polizei wäre davon nicht sonderlich begeistert.«
Sie nippte an ihrem Tee und überlegte kurz. »Du und Gabriel, ihr habt beide bestanden«, fügte sie hinzu. »Was Frost und Renny angeht …«
»Die haben die meiste Arbeit gemacht.«
»Aber nach allem, was du erzählt hast, haben sie auch jede Menge Blödsinn verzapft.« Einen Augenblick dachte Kait, Joyce würde weiterreden, ihr mehr anvertrauen. Doch dann stand sie auf und erklärte: »Wir halten uns in Zukunft an andere Jobs. Mehr aus der Ferne vielleicht. Mac ist darin ganz gut.«
»Wirklich?«, fragte Kait unschuldig. »Was hat er denn für Kräfte? Ich weiß gar nicht, was er und Bri können.«
Sie hielt gespannt den Atem an, war sich aber schon ziemlich sicher, dass Joyce es ihr nicht verraten würde. Doch Joyce zuckte mit den Schultern und sagte: »Seine Spezialität ist die Astralprojektion.«
Der Geist macht sich allein auf den Weg, dachte Kaitlyn. So hatte Lewis es ausgedrückt. Also war Mac für
die Astralprojektionen und die übernatürlichen Angriffe verantwortlich, die sie auf dem Weg nach Kanada erlebt hatten. »Aber wir haben mindestens vier Gestalten gesehen«, stieß sie unkontrolliert hervor. »Und eine von ihnen war Bri – ich habe sie erkannt.«
Joyce stellte gerade den Wecker auf dem Nachttisch ein. »Mac hat sie angeleitet«, antwortete sie ungeduldig, fast abwesend. »Er hat ihnen geholfen mitzukommen und wieder in ihre Körper zurückzufinden. Aber Astralprojektion kann jeder betreiben, wenn er die Macht des Kris…« Sie brach ab, und ihr Mund schloss sich fest. Dann sagte sie: »Geh ins Bett, Kaitlyn. Es ist höchste Zeit.«
Wir wussten ja, dass sie den Kristall dafür verwenden, dachte Kaitlyn. Ich habe ihn neben den Astralfiguren gesehen. Aber das teilte sie Joyce nicht mit. Stattdessen sagte sie: »Na gut, aber sagen Sie mir noch, was Bri kann?«
»Nein, ich gehe jetzt schlafen.«
Mehr brachte Kaitlyn nicht aus ihr heraus.
Oben hörte Kaitlyn Stimmen aus Gabriels Zimmer. Gabriel, Frost und Renny? Gabriel und Frost? Es gab keine Möglichkeit, das herauszufinden.
»Zu schade, dass ich keine Astralprojektion beherrsche«, murmelte sie.
Lydia schlief natürlich, also konnte sie sich mit ihr nicht unterhalten. Und auch an die Geheimtür im Erdgeschoss
kam sie nicht heran, denn die lag direkt gegenüber von Joyce’ Zimmer.
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als schlafen zu gehen. Doch sie brauchte lange, um sich zu entspannen, und als sie endlich einschlief, hatte sie Albträume.
Am nächsten Morgen sah sie Frost aus Gabriels Zimmer kommen.
Als ihr Gabriel einen Moment später folgte, stand Kaitlyn immer noch bewegungslos an der Treppe. Er trug ein T-Shirt und wirkte außergewöhnlich attraktiv und frisch. Sein Haar sah aus, als hätte es jemand mit den Händen verwuschelt. Sein Blick war verschleiert und träge, und auf den Lippen lag ein zufriedenes kleines Lächeln.
Kaitlyn hätte ihn am liebsten umgebracht. Auf dem Bild, das sich in ihrem Innern aufbaute, briet sie ihm mit dem Nudelholz eins über, allerdings nicht lustig wie in einem Comic, sondern so, dass die Knochen splitterten und das Blut an die Wände spritzte.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, als er sie dort stehen sah. Seine Augen verengten sich und er ließ die
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