Visionen Der Nacht: Der Tödliche Bann
ausdruckslos, als hätte jemand bei ihr das Licht ausgeknipst. Als sie Kaitlyn wieder ansah, waren ihre Züge hart. »Ja, sie sind tot«, sagte sie. »Sasha und Parté King. Bringt dich das irgendwie weiter?«
In diesem Moment kam Joyce aus dem hinteren Labor. Kaitlyn ließ Bri allein. Sie war deprimiert.
Natürlich, die anderen waren inzwischen freundlicher zu ihr, aber sie wirkten auf Kait wie Geysire, die zwischen den Eruptionen vor sich hin blubberten. Jeden Moment konnten sie direkt vor ihren Augen in die Luft gehen.
Es klingelte an der Tür.
»Das sind die Testpersonen. Lässt du sie bitte herein, Gabriel?«, sagte Joyce, die mit ihrem Klemmbrett von einem zum anderen ging. »Frost, ich möchte, dass du an ihnen die Psychometrie übst. Kait, du wirst an der Fernwahrnehmung arbeiten.«
Sie setzte Kaitlyn in eine Kabine und stellte ein Foto vor ihr auf. Es war das großformatige Hochglanzfoto eines Safes.
»Ich möchte, dass du dich auf das Bild konzentriert und zeichnest, was dir gerade in den Sinn kommt«, sagte sie. »Versuch dir vorzustellen, was in dem Safe drin sein könnte, okay?«
»Okay«, sagte Kaitlyn und unterdrückte den Widerspruch, der in ihr aufkeimte. Mit Wissenschaft hatte das alle nichts zu tun, und am Diebstahl hatte sie den Geschmack bereits verloren.
»Das kommt auf die Stirn«, fügte Joyce hinzu und holte ein Stück Klebeband hervor.
Diesmal konnte Kaitlyn ihre Reaktion nur schwer verbergen – sie war bestürzt. »Eine Elektrode auf dem dritten Auge?«, fragte sie, so gelassen es ihr möglich war.
»Du weißt doch, was das ist. Da du nicht mit dem großen Kristall verbunden wirst, soll das hier deine Kräfte verstärken.«
»Warum werde ich eigentlich nicht mit dem großen Kristall verbunden?«, fragte Kait verwegen. »Die kleinen Stückchen machen mir Kopfschmerzen, und …«
»Tut mir leid, das entscheidet Mr Zetes, und er will dich nicht in der Nähe des Kristalls haben. Nun halt schon still.« Joyce’ Ton machte unmissverständlich klar, dass es ihr reichte. Ihre Augen waren hart wie Edelsteine, und sie machte sich kaum die Mühe, Kaitlyns Haare zur Seite zu schieben, ehe sie ihr das Klebeband auf die Stirn pappte.
Kait spürte das Kristallstückchen kalt auf der Haut. Es war größer als das Stück, das Joyce früher verwendet hatte, vielleicht, weil sie es nicht mehr vor Kaitlyn verstecken musste. Es fühlte sich an wie eine kleine Münze.
Da sie wusste, wo das Stückchen herstammte, musste sie sich beherrschen, das Klebeband nicht einfach wegzureißen.
Doch dann sah sie Gabriel in der Tür stehen. Er sah sie spöttisch und belustigt an.
Du hast doch nicht etwa etwas gegen den Kristall? Immerhin bist du eine von uns …
Eine von denen bin ich nicht, fauchte Kait zurück. Aber du wohl schon.
Genau, mein Engel. Ich bin einer von ihnen – vergiss das nicht.
Kaitlyn ließ die Finger von dem Klebeband.
Trotzdem wollte sie Joyce nicht mit dem Safe helfen. Sie starrte das Foto an, schloss dann die Augen und kritzelte vor sich hin, während sie in aller Ruhe nachdachte.
Sie wusste nun, wie die anderen sie auf dem Weg nach Kanada aufgespürt und angegriffen hatten. Zuerst hatte Bri wahrscheinlich ausgependelt, wo sie waren. Dann hatte Schakal Mac ihre Astralformen hingeführt, und anschließend konnten sie ihre Opfer mit merkwürdigen Erscheinungen oder Rennys Fern-Telekinese angreifen. Ganz einfach. Man konnte Menschen terrorisieren, ohne überhaupt in ihre Nähe zu kommen. Und Joyce erwartete von ihr, dass sie sich an diesen Verbrechen aus der Ferne beteiligte – sie sollte in einen Safe hineinsehen, den sie knacken wollten.
Einen Moment mal.
Wenn sie in einen Safe sehen konnte, warum nicht in ein Zimmer? Sie konnte sich doch auch einfach das Geheimbüro im Keller vor Augen führen.
Ohne die Augen zu öffnen, schnappte sich Kait ein neues Blatt Papier. Sie hatte noch nie versucht, sich einen bestimmten Ort vorzustellen, doch mit der Fernwahrnehmung war sie mittlerweile gut vertraut. Sie musste sich entspannen und ihre Gedanken schweifen lassen, alle Geräusche von außen ausblenden, sich der Dunkelheit hingeben …
Und nun, sagte sie sich, denk an das geheime Zimmer. Stell dir vor, dass du in den Keller gehst. Du siehst den Gang im fluoreszierenden grünen Licht. Du stehst vor der Tür … tauchst in die Dunkelheit ein …
Ihre Hand verkrampfte sich und juckte.
Und schon tanzte und hüpfte sie über das Papier, bewegte sich völlig selbstständig, während
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