Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
Vom Netzwerk:
»Steht mir gut, oder?«
    Ich sah mich auf der Station
um. »Du hättest vorher anrufen sollen.«
    Â»Ich bin doch nicht deinetwegen
hier.« Sike lächelte, aber ihr Tonfall passte nicht dazu. »Lass uns keine Szene
machen. Ich bin einfach deine Freundin aus dem Labor.«
    Â»Laborratten und Schwestern verbrüdern
sich nicht miteinander.« Ich konnte nur hoffen, dass »Veronica« gerade
dienstfrei hatte und nicht in irgendeinem Kofferraum gelandet war. »Warum bist
du überhaupt hier, wenn du mir schon nicht helfen willst?«
    Â»Du musst mir Zugang zu Y4 verschaffen.« Sie
packte warnend meinen Arm, da in diesem Moment Javiers Eltern das Krankenzimmer
verließen. Der Vater schob die Mutter um meinen Tisch herum Richtung Tür. Wir
schwiegen, bis sie verschwunden waren.
    Â»Ich kann hier erst weg, wenn
ich Pause habe«, flüsterte ich dann.
    Â»Und wann wäre das?«
    Â»Um neun. Du wirst dich noch
eine Stunde gedulden müssen.«
    Ihre Körpersprache machte
deutlich, dass sie das für untragbar hielt. Aber hier waren so viele Leute,
dass sie mich unmöglich einfach mitschleppen konnte, ohne eine Szene zu machen.
Sie war kein vollwertiger Vampir, sondern nur ein Tageslichtagent, und damit
verfügte sie noch nicht über die Gabe, die Aufmerksamkeit von sich abzulenken.
Sie ließ mich los.
    Â»Geh doch einfach alleine«,
meinte ich, während ich meinen Trizeps massierte, um die Blutzirkulation wieder
anzuregen.
    Â»Kann ich nicht. Die
Fahrstuhltüren öffnen sich für mich nicht.«
    Nun gab ich vor, wieder Javiers
Akte zu studieren. »Ist dir das schon häufiger passiert?«
    Â»Nein.«
    Tja, dafür gab es wohl einen
triftigen Grund. »Hinter der Doppeltür liegt eine kleine Wartehalle. Warte dort
am Aquarium auf mich.« Sie verzog frustriert die vollen Lippen. »Ich komme so
schnell es geht«, fügte ich noch hinzu.
    Â»Wehe, wenn nicht.«
    Irgendwie waren Vampire
doch alle gleich. Erst als ich mir sicher sein konnte, dass Sike weg war, ging
ich zu Javier hinein, um die stündlichen Tests vorzunehmen.
    Â»Spüren Sie das?« Ich drückte
meine Stiftkappe gegen seine Rippen.
    Â»Nein.«
    Â»Und das?« Jetzt versuchte ich
es ein wenig weiter oben.
    Â»Nein.«
    Ich beobachtete sein Gesicht
und bemerkte, dass er zwischen den Antworten die Zähne zusammenbiss.
    Â»Das?«
    Â»Si.«
    Ich markierte die Stelle.
Wieder ein halber Zentimeter weniger. Es war, als würde er langsam ertrinken
und ohne Wiederkehr immer weiter in unerbittliche Gewässer abtauchen.
    Â»Kann ich irgendetwas …«,
setzte ich an, weil es nun einmal meine Pflicht war.
    Â»Lassen Sie uns einfach in
Ruhe«, erwiderte seine Freundin und fügte noch ein schnelles »bitte« hinzu.
    Ich nickte ihr zu und ging.
    Als ich gerade dabei
war, den aktuellen Sensibilitätsverlust in seine Akte einzutragen, kam die
Stationsschwester vorbei. Erst dachte ich, sie würde mich früher in die Pause
schicken, doch stattdessen drückte sie mir einen Ausdruck von einer
Nachrichtenseite im Internet in die Hand. »Zwei Verwundete bei geplatztem
Drogendeal«, verkündete die Schlagzeile, darunter: »Einer stirbt noch im
Krankenwagen, der andere liegt im County, sein Zustand ist kritisch.« Ich
faltete das Blatt in der Mitte und schob es in die Akte, wobei mir durch den
Kopf schoss, wie leicht solche Probleme auch zu Jakes werden konnten. Zum Glück
hatte er meines Wissens selbst in seinen schlimmsten Zeiten nur konsumiert, nie
gedealt. Okay, vielleicht sollte ich ja doch hin und wieder seine
Telefonrechnung überprüfen … aber nur, um zu sehen, ob er dumm genug war, zu
oft fremde Nummern darin auftauchen zu lassen.
    Eine Stunde kann verdammt lang
sein, wenn man nur vor einem Zimmer herumsitzt. Auf Y4 hätte ich mich nützlich
machen und Vorräte auffüllen, Decken aufrollen oder Krankenblätter lesen
können, aber hier kannte ich die Abläufe nicht, und ich wollte niemandem im Weg
sein. Also kritzelte ich am Rand meiner persönlichen Notizen herum und malte
ein brennendes Herz. Als ich ein seltsames Piepen im Krankenzimmer hörte,
schaute ich hoch. Luz war auf dem Weg, die Station zu verlassen, und schrieb
dabei eine SMS .
    Â»Ich muss kurz telefonieren.«
    Â»Ziehen Sie einfach den Vorhang
zu, dann können Sie das auch im Zimmer machen.« Es hingen zwar

Weitere Kostenlose Bücher