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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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Ich nahm ihn mit dem Teststreifen auf. Mehr brauchte
ich nicht – und Dren sollte besser auch nicht mehr brauchen, um meinen Bruder
in Ruhe zu lassen.
    Ich schob den Streifen in das
Blutzuckermessgerät und schaute dann zu den beiden Männern. »Lucas, Sir, Sie …«
    Â»Diese Anschuldigung ist ein
Skandal! Ich habe Rechte! Ich bin ein Teil des Rudels!«
    Â»Und du besitzt einen schwarzen
Laster. Ich bin nicht blöd, Viktor.« Lucas setzte zum Sprung an, doch in diesem
Moment erschien Charles vor der Tür und bedrohte beide mit einem
Betäubungsgewehr.
    Â»Keine Verwandlungen auf dem
Klinikgelände!«, rief er. »Und Sie sollten nicht eine Sekunde daran zweifeln,
dass ich Sie beide erschießen werde.« Er ließ den Lauf zwischen ihnen hin- und
herwandern, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    Lucas entspannte sich und
richtete sich langsam wieder auf. »Viktor wollte sowieso gerade gehen.«
    Â»Als Mitglied des Rudels habe
ich das Recht, meinen Respekt zu bekunden«, jammerte Viktor.
    Ich ging um das Bett herum,
damit ich nicht in Charles’ Schusslinie stand. Viktor war noch jung –
wahrscheinlich ungefähr so alt wie Lucas –, kleidete sich aber anders. Er trug
einen dreiteiligen Anzug. Außerdem drückte er sich einen Filzhut vor die Brust,
offenbar um seinen verletzten Stolz zu besänftigen, und ohne die Kopfbedeckung
konnte ich sehen, dass seine schwarzen Haare von einer weißen Strähne
durchzogen wurden.
    Â»Hier gelten Familienregeln,
keine Rudelgesetze«, klärte Charles uns alle auf, ohne die Waffe zu senken.
    Viktor seufzte schließlich und
verbeugte sich theatralisch – vor Winter, nicht vor Lucas –, bevor er seinen
Hut wieder aufsetzte. »Dann bei Vollmond?«, fragte er Lucas.
    Â»O ja«, erwiderte der mit
bedrohlichem Unterton.
    Als Viktor ging, wich
Charles zurück und verfolgte ihn mit dem Lauf der Waffe. »Bist du okay, Edie?«,
rief er mir zu.
    Â»Alles klar.«
    Â»Vielleicht sollte dein Freund
besser auch gehen.«
    Lucas murmelte etwas
Unverständliches, fügte sich aber. Normalerweise hätte ich mich dafür
eingesetzt, dass er ein Recht hatte, hier zu sein, aber nach diesem Streit
hielt ich das nicht für klug.
    Â»Okay, du bist dran, Edie«,
sagte Charles. Ich verließ das Krankenzimmer. Außer mir und Charles war auf dem
Flur niemand mehr zu sehen. Er ließ die Waffe sinken.
    Â»Das ist aber mehr als ein
bisschen Kochsalzlösung, Charles«, versuchte ich zu scherzen. Meine Stimme war
zu schrill, zu angespannt.
    Charles schüttelte den Kopf.
»Mach das nie wieder, Edie. Ganz egal, wie harmlos sie zu sein scheinen, bleib
niemals mit einem von ihnen allein.«
    Â»Okay.« Nach dieser kleinen
Showeinlage musste ich ihm recht geben. Ich holte tief Luft und atmete langsam
aus.
    Â»Ich bin froh, dass dir nichts
passiert ist.« Charles klopfte mir auf die Schulter. »Was sagt sein
Blutzucker?«
    Mir war gar nicht bewusst
gewesen, dass ich das Messgerät noch in der Hand hielt. Ich schaute auf die
Anzeige. »Zwei Acht Drei.«
    Da Insulin zu den
Medikamenten gehörte, bei denen eine zweite Kraft gegenzeichnen musste,
wechselten Charles und ich gemeinsam den Infusionsbeutel. Als Gina zurückkam,
erklärte ich ihr, was passiert war, und trank den Kaffee, den sie für Lucas
mitgebracht hatte. Ich würde ihn bestimmt nicht suchen gehen. Der Teststreifen
mit Winters Blut lag sicher in meiner Tasche. Alles andere war mir egal.
    Kurz vor Schichtwechsel musste
ich auf die Toilette. Ich sagte Gina Bescheid und winkte Meaty und Charles zu,
als ich an ihnen vorbeiging. Im Flur vor dem Zugang zur Station entdeckte ich
Lucas. Er saß auf dem Boden und hatte den Kopf auf die Knie gelegt.
    Es war unmöglich, ihm aus dem
Weg zu gehen. Hinter mir fiel die Stationstür zu. Er reagierte nicht. Also
schlief er wohl, oder?
    Â»Tun Sie einfach so, als wäre
ich nicht da«, bat er, ohne hochzusehen.
    Ich schnaubte abfällig. Dort
drin war er so Furcht einflößend gewesen, aber jetzt wirkte er eher deprimiert.
Eigentlich war nur Winter mein Patient … aber genau da lag das Problem mit
Besuchern. Manchmal brauchten sie auch eine Krankenschwester. Ich ging zu ihm
rüber und hockte mich hin. »Möchten Sie mir erzählen, worum es eigentlich
geht?«
    Mit traurigen Augen schaute
Lucas zu mir hoch. »Ich bin der Nächste in der

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